Zwei Professoren, eine Wissenschaft – Maschinenbau
27.03.2025 Magazin
Blick ins Studium: Vom RC-Car über 3D-Druck bis hin zu Robotik.
Robotik. Elektromobilität. Digitale Produktion. Im Maschinenbau beschäftigen sich die Ingenieur*innen bereits heute mit Fragen und Entwicklungen der Zukunft. „Wir beschäftigen uns damit, wie Technologien und wie Produktionssysteme der Zukunft aussehen“, sagt Prof. Dr. Marcus Kröger. Er gehört wie Prof. Dr. Jannis Sinnemann zu den jüngsten Zugängen im Studienbereich Maschinenbau der Hochschule Bochum. Was die beiden Professoren am Maschinenbau reizt und was ein RC-Car, Klemmbausteine und 3D-Druck mit ihrer Lehre zu tun haben – das verraten die Wissenschaftler im Interview.
Sie haben beide Maschinenbau studiert. Wieso?
Prof. Dr. Jannis Sinnemann: Ich hatte schon früh Spaß an Technik, das war auch meine Motivation fürs ingenieurwissenschaftliche Maschinenbaustudium. Richtig vorstellen, was ich mit dem Studium beruflich machen kann, konnte ich mir erst mit Verlauf des Studiums. Maschinenbau ist vielfältig und die Bandbreite der beruflichen Perspektiven nach einem Studium riesig. Maschinenbauingenieur*innen arbeiten in der Forschung und Entwicklung von Anlagen und Maschinen, der Konstruktion und Erprobung, der Produktionsplanung und -überwachung, in der Fertigung, der Qualitätssicherung, der Instandhaltung und dem Service genauso wie im Vertrieb, in der Beratung oder dem Management.
Prof. Dr. Marcus Kröger: Meine Motivation fürs Maschinenbaustudium war tatsächlich genau diese berufliche Perspektive. Ich hatte eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert, anschließend im Einkauf gearbeitet und nach einiger Zeit das Gefühl, dass ich beruflich noch mehr erreichen möchte. Ich konnte mir vorstellen Führungsaufgaben in der Industrie zu übernehmen, zum Beispiel als Produktions- oder Logistikleiter. Ich habe nach dem Studium auch viele Jahre und in Führungspositionen bei einem großen US-amerikanischen Technologiekonzern gearbeitet. Mein Weg dorthin begann aber im Ruhrgebiet, mit einem klassischen Maschinenbaustudium.
Inwiefern beschäftigt sich der Maschinenbau mit den Fragen der Zukunft?
Prof. Dr. Jannis Sinnemann: Viele denken, im Maschinenbau geht es nur um alte, ölige, riesengroße Maschinen. Das ist ein Irrglaube. Im Maschinenbau geht es um die Planung, Entwicklung, Konstruktion und Produktion modernster technischer Maschinen, Anlagen und Geräte. Maschinenbau ist eine Wissenschaft, die mit den technischen Entwicklungen mitgeht, die oftmals sogar einen Schritt voraus ist. Denn Ingenieur*innen arbeiten bereits heute an technologischen Lösungen von morgen. Ein Beispiel: der Wandel in der Automobilproduktion und der Einzug der Elektromobilität. Für den Maschinenbau bedeutet das unter anderem die Entwicklung neuer elektrischer Antriebe, neuer Fertigungstechniken, neuer Produktionslinien.
Prof. Dr. Marcus Kröger: Der Maschinenbau unterliegt einem stetigen Wandel. Das macht das Berufsfeld so spannend. Wir beschäftigen uns mit der Frage wie Technologien und wie Produktionssysteme der Zukunft aussehen. Wie sieht die künftige Mobilität und Logistik aus und was für Entwicklungen kann der Maschinenbau beisteuern? Wo kann der Einsatz von Industrie 4.0 und Künstlicher Intelligenz Prozesse im Maschinenbau unterstützen? Wo und wie können autonome, mobile Roboter im Maschinenbau eingesetzt werden?
Und welche Rolle spielt im Maschinenbau die Nachhaltigkeit?
Prof. Dr. Marcus Kröger: Blicken wir in unsere Hochschule hinein gibt es im Fachbereich Mechatronik und Maschinenbau ein Institut für Betriebsorganisation und Logistik, das sich darauf konzentriert, Werte nachhaltig und ressourcenschonend ohne Verschwendung zu schaffen und zu erhalten. Das fängt bei einer nachhaltigen, schlanken Produktion an und geht später über in Industrie-Recycling und Re-Use. Zentrale Fragen, denen wir uns heute im Maschinenbau widmen sind beispielsweise: Wie kann eine umweltfreundlichere Produktion erzielt werden? Aus welchen auch nachhaltigen Werkstoffen werden die Produkte der Zukunft gefertigt? Und welchen Einfluss hat die Energieerzeugung, haben technische Produkte und Prozesse auf Umwelt und Klima?
Prof. Dr. Jannis Sinnemann: Nachhaltigkeit und Digitalisierung spielen im Maschinenbau eine entscheidende Rolle. Heute sitzt niemand mehr mit Tusche und Zeichenbrett am Tisch. Neue Technologien entstehen mithilfe von Zeichenprogrammen am Computer. Außerdem wird bereits KI-basiert entwickelt und konstruiert. Ich halte es für wichtig, dass angehende Maschinenbauingenieur*innen dennoch die Grundlagen des Maschinenbaus von der Pieke auf erlernen. Wo kommt der Maschinenbau her? In welchen handwerklichen Tätigkeiten liegt sein Ursprung? Ich finde es wichtig, dass die Studierenden neben neuen Gebieten wie Robotik, Elektromobilität oder digitaler Produktion auch die klassischen Fertigungstechniken kennenlernen. Dass sie in unseren Hochschullaboren die Dinge praktisch ausprobieren können, die sie in den Vorlesungen theoretisch vermittelt bekommen. Das Rüstzeug des Maschinenbaus verinnerlicht zu haben, ist die Grundlage, sich an globale Wandel immer wieder anpassen zu können und die Fragestellungen der Gegenwart und Zukunft zu lösen.
Wie bekommen Sie ein Unternehmen in den Hörsaal, um Studierenden praxisnah Maschinenbau zu vermitteln?
Prof. Dr. Marcus Kröger: Im Modul Operational Excellence visualisieren die Studierenden mit Klemmbausteinen die Planung eines neuen, operativen, exzellenten Unternehmens. Sie planen ein Unternehmen, dessen Prozesse und Verhaltensweisen so ausgerichtet sind, dass es sich kontinuierlich hinsichtlich Effizienz und Effektivität verbessert und sich zugleich eine nachhaltige Kultur etabliert. Die Studierenden lernen spielend die erforderlichen Systeme bei solch einer Planung kennen, gewinnen Einblicke in verschiedene Abläufe, Tools und die Kultur ihres persönlichen Unternehmens der Zukunft. Ein anderes Projekt, in dem Studierende des Studiengangs Maschinenbau die Arbeitsweise der Industrie verinnerlichen, ist die Nutzung eines Radio Controled also RC-Car als Lernobjekt. Das Projekt soll in verschiedenen Lehrveranstaltungen des Studiengangs verankert werden, sodass die Studierenden über mehrere Semester am gleichen Lernobjekt arbeiten und das RC-Car über alle Entwicklungsphasen hinweg begleiten. In einem Modul können sie analysieren welche Bauteile sich eignen würden, zum Beispiel für die Achsaufhängung. In einem anderen können sie Bauteil für Bauteil budgetieren, in wieder einem anderen Modul können sie eine technische 3D-Zeichnung des Autos anfertigen und so entwickelt sich das Auto Semester für Semester weiter, bis es zu einem Produkt wird. Jannis kann in seinem Modul mit den Studierenden aus Sicht des Qualitätsmanagements aufs RC-Car blicken. Er schaut am Ende also, ob das Auto auch der Kundenqualität entspricht.
Prof. Dr. Jannis Sinnemann: Solche Projekte, in denen die Studierenden haptisch Dinge erschaffen, verstärken den Lerneffekt. Im Modul additive Fertigungsverfahren vermittle ich den Studierenden Kenntnisse über 3D-Druck-Technologien und deren Anwendungen in der modernen Fertigungstechnik. Dort erstellen sie auch selbst Ersatzteile für eine Maschine am 3D-Drucker. 3D-Druck erhält immer mehr Einzug in den Maschinenbau, Ingenieur*innen erstellen damit heutzutage Prototypen.
Prof. Dr. Marcus Kröger: Es ist schön zu sehen, wie die Studierenden an solchen Aufgaben wachsen.
Wieviel Mathematik steckt im Maschinenbau?
Prof. Dr. Marcus Kröger: Die Mathematik hat im Maschinenbau einen hohen Stellenwert, denn sie bildet die Grundlage vieler Technologien. Sie ist das Mittel zum Zweck, quasi ein Werkzeug, das wir im Maschinenbau verwenden, um komplexe technologische Fragestellungen zu lösen.
Prof. Dr. Jannis Sinnemann: Im ersten Studienjahr erwerben die Studierenden überwiegend naturwissenschaftliche Grundlagen, sie besuchen Module zur Mathematik, Physik, Werkstofftechnik, Informatik oder Elektrotechnik. Es ist ein Irrglaube, dass man extrem gut in Mathe sein sollte. Aber es hilft, wenn man ein Interesse an Mathe und an technischen Prozessen hat. Wie funktioniert etwas? Was steckt an technischem Prozess dahinter? Angehende Ingenieur*innen sollten Spaß am Hinterfragen technischer Dinge haben, Kreativität und Neugierde in Bezug auf technischen Fortschritt mitbringen. Je weiter man bei uns im Studium voranschreitet, desto individueller lässt sich das Studium gestalten. Die Studierenden passen das Studium auf ihre eigenen Interessen und ihren Berufswunsch an.
Apropos Berufswunsch: Wie sind die Berufsaussichten nach einem Maschinenbaustudium?
Prof. Dr. Marcus Kröger: Maschinenbauingenieur*innen sind auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt, daher sind auch die Berufsaussichten sehr gut. Die Studierenden werden häufig bereits im Studium von Firmen abgeworben, zum Beispiel in ihrer zehnwöchigen Praxisphase, die sie im siebten Semester absolvieren. Das ist auch der Grund, warum viele nach dem Bachelorstudium ins Berufsleben einsteigen, weil die Industrie zieht. Ich rate trotzdem allen Studierenden ein Masterstudium anzuschließen, um sich in der Berufswelt noch weitere Türen aufzuhalten.
Prof. Dr. Jannis Sinnemann: Es geht nicht darum, als fertige Ingenieurin oder als fertiger Ingenieur aus einem Studium herauszugehen. Sondern möglichst viel Rüstzeug aus dem Studium mitzunehmen, mit dem dann der eigene Weg eingeschlagen werden kann.
Das Interview führte Daniela Schaefer, Online-Redakteurin
Studiengang Maschinenbau
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