Interview mit Prof. Dr.-Ing. Patrick Bosselmann

Land des Lächelns lässt grüßen - Gastvorlesung in Thailand

Das internationale Austauschprogramm der Hochschule ist breit aufgestellt. Die Kooperation mit der King Mongkut's University of Technology North Bangkok (KMUTNB) in Thailand dient vor allem als Informations- und Wissensaustausch. Aus diesem Grund können sowohl die Studierenden als auch die Professoren individuell von dieser Partnerschaft profitieren. Vom 20.08.18 – 31.08.18 war Prof. Dr.-Ing. Patrick Bosselmann an der Universität in Thailand und hielt Gastvorlesungen über die Grundlagen der Funkidentifikation und Transpondersysteme (RFID). In diesem Interview berichtet er von seinen persönlichen Erfahrungen und Eindrücken.

Welche Vorteile sehen Sie in der Kooperation mit der KMUTNB in Thailand?

Es gibt mehrere Vorteile: Zum einen profitieren Studierende durch den gegenseitigen Besuch an beiden Standorten. Unsere Studierenden können zum Beispiel ins Ausland gehen, um dort fachliche Erkenntnisse zu sammeln, aber auch kulturelle und gesellschaftliche Erfahrungen für die persönliche Weiterentwicklung ernten. Das gilt in beide Richtungen. Auch die thailändischen Studierenden, die zu uns an die Hochschule kommen und die wir regelmäßig für einige Monate bei uns aufnehmen, haben viele Lern- und Erfahrungsvorteile. Außerdem gibt es die Möglichkeit, neben dem Studium noch in privater Mission zu reisen und sich auf diese Weise das Land anzuschauen.

Für mich als Dozent gilt das sinngemäß genauso. Ich bin zuvor noch nie in Asien gewesen. Das bedeutet, dass diese Gastvorlesung mit meiner ersten Reise in ein asiatisches Land verbunden ist. Insofern ist es eine sehr große Bereicherung zu erfahren, wie dort gelebt wird, welche Kultur in Thailand herrscht und wie der gesellschaftliche Umgang vor Ort aussieht. Das ist in vielen Bereichen deutlich anders als hier in Europa. Inhaltlich war mein Aufenthalt an der KMUTNB auch sehr interessant, weil ich erfahren konnte, wie dort gelehrt wird. Auf diese Weise konnte ich Ansätze mitnehmen, die dort relevant sind. „Wie kann ich thailändischen Studierenden Themen näherbringen?“ Ich kann kein Thailändisch sprechen, und viele Menschen können nur begrenzt Englisch sprechen. Deshalb gab es dort zunächst eine sprachliche Hürde, was sicherlich auch für mich sehr interessant und gegenüber deutschsprachigen Vorlesungen in Bochum eine großartige Abwechslung war.

Lernen die Studierenden in Thailand anders als wir hier in Deutschland? Welche Unterschiede sind Ihnen aufgefallen?

Im Grunde habe ich nicht viele Unterschiede festgestellt. Die sprachliche Hürde war ein Punkt, den ich beobachten konnte. Aber dies liegt sicherlich im Wesentlichen an der Vorbildung der Studierenden. Damit meine ich, von welcher Schulform sie kommen, bevor sie zur Uni gegangen sind. Ansonsten ist die Art der Wissensvermittlung oder die Didaktik nicht unbedingt anders als hier. Wie gesagt, die Lehr- und Lernformen ähneln sich, jedenfalls war das mein Eindruck. Eventuell wird dort mit etwas mehr Wert auf Praxisnähe, Anwendungsbezogenheit und mit Fallbeispielen gelehrt als hier. Zudem wird sowohl im Universitätswesen, aber auch in anderen Bereichen des Alltags, eine gewisse gesellschaftliche Hierarchie gelebt. Dies erkennt man sowohl am Umgang zwischen Lehrenden und Studierenden als auch in Alltagssituationen, etwa beim Einkaufen. Die hierarchischen Rollenunterschiede sind in Thailand sehr ausgeprägt. Der/die Dozent*in, zum Beispiel, steht sozusagen auf einer höheren Stufe. Das war mir zuerst etwas fremd, weil ich das aus Bochum anders kenne. Mit den Studierenden bin ich hier einen eher lockeren Umgang gewohnt, ohne dass ich als Dozent oder der „Boss“ gesehen werde. In Thailand besteht eine gewisse Hemmschwelle, Kontakt zu knüpfen, was sich beispielsweise an der Häufigkeit von studentischen Wortmeldungen während einer Vorlesung zeigt. Das mag zum großen Teil an der englischen Sprache liegen, aber das liegt sicherlich auch an dem kulturell verankerten Ansehen eines/r Dozenten*in. Bei dem thailändischen Kollegium war dieser zurückhaltende Respekt ebenfalls zu spüren. Bei mir kam vielleicht noch zusätzlich der Faktor „Europäer“ hinzu.

 

Würden Sie diese Hierarchie eher als förderlich einschätzen oder bevorzugen Sie die europäische Form?

Ich möchte diese hierarchische Form nicht werten. Ich fand es anders, für mich zunächst neu und auch anfangs gewöhnungsbedürftig. Aber ich glaube, dass dieses System ebenfalls gut funktioniert, weil die Umgangsformen klar verankert sind. Da ist die thailändische Kultur offenbar sehr traditionell und bewährt. Andererseits schätze ich den eher lockeren Umgang in Deutschland auch sehr. In Thailand liegt das Hierarchieverhalten an der Kultur, weil diese Ausprägung nicht ausschließlich an der Universität oder sonstigen Institutionen festgemacht werden kann. In der thailändischen Gesellschaft wird bestimmten Gruppierungen mehr Respekt entgegengebracht, da das Land sehr traditionell ist.

 

Haben Sie Unterschiede im Umgang mit den thailändischen Kollegen gemerkt?

Eigentlich nicht, nein. Zwischen den Lehrenden gab es einen sehr offenen, lockeren und kommunikativen Umgang. Wir konnten uns fachlich sehr gut austauschen und ich fand die Gespräche sehr angenehm und bereichernd. Überhaupt bin ich dort sehr gastfreundschaftlich aufgenommen und herzlich empfangen worden. Die Gastfreundschaft ist offenbar auch tief in der Kultur der Thailänder*innnen verankert.

 

Welche Inhalte haben Sie vor Ort vermittelt?

Inhaltlich habe ich Vorlesungen mit dem Thema RFID – Funkidentifikation und Transpondersysteme - gehalten. Funktransponder werden in ganz vielen Bereichen des täglichen Lebens verwendet, und ich vermittelte den Studierenden einige fachliche Grundlagen zu den physikalischen Eigenschaften solcher RFID-Systeme, etwa die Wellenausbreitung oder magnetisch-induktive Kopplung. Die Studierenden interessierten sich auch sehr für die konkreten Anwendungsbeispiele von solchen Transpondersystemen, allein schon, weil sie die Technologie im Alltag ebenfalls umgibt, wie beispielsweise RFID-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr oder das mobile Bezahlen mit NFC (Near Field Communications). Die Anwendungsbereiche für RFID sind quasi endlos. Hier an der Hochschule Bochum ist es beispielsweise das Tranponder-Schließsystem für Räume und Hörsäle.  Oder auch die Studierendenausweise mit Bezahlfunktion sind RFID-Systeme.

In anderen Bereichen, die man im Alltag nicht unbedingt wahrnimmt, ist auch viel RFID zu finden, wie zum Beispiel in der Warenlogistik. Die Technologie wird für effiziente Warenverteilung oder der Nachverfolgbarkeit von Warenfluss-Ketten verwendet (Tracking und Tracing). Ein ganz großer Bereich ist auch die Anwendung von RFID-Systemen in der industriellen Produktion, also entlang von Fertigungsstraßen, unterstützend zur vorhandenen Automatisierungstechnik. „Industrie 4.0“ und „Internet der Dinge“ sind hier die großen Schlagworte. Diese Anwendungsfälle habe ich anhand konkreter Beispiele, und mit zahlreichen Bildern untermalt, vorgestellt. Begleitend dazu vermittelte ich die fachlichen, technischen Grundlagen dazu.

Konnten Sie persönlich noch etwas mitnehmen?

Die anderen Kulturen und Gesellschaftsformen im Vergleich zu Europa haben mich am meisten fasziniert. Die Gesellschaftswerte, wie zum Beispiel der Respekt allen Menschen gegenüber, Respekt der Natur gegenüber und eine damit verbundene Zuvorkommenheit und Höflichkeit sind dort sehr ausgeprägt. Die Menschen nehmen sich selbst als Individuum zurück, da stattdessen das Wohl der Gemeinschaft wichtiger ist. Die Freude darüber, dass es dem Anderen gut geht und sie vielleicht helfen könnte, verschafft den Thailänder*innen selbst Freude.

Anderen zu helfen, gute Arbeit zu leisten und das Gesicht des Anderen zu wahren, sind drei hohe Güter in der thailändischen Gesellschaft. Diese Werte sind offenbar eine gute Basis für ein entspanntes und angenehmes Miteinander. Das spiegelt sich in allen Bereichen des Alltages wieder und ich finde, das sind positive Dinge, von denen wir uns hier ein Stück abschneiden sollten. Außerdem hat mich die Entspanntheit der Thailänder*innen verwundert. Bangkok ist eine Millionenmetropole und trotzdem habe ich kein einziges Mal Stress erlebt. Der gesamte Ablauf, ob ich mich nun von A nach B durch die Stadt bewegte, auf einer Sightseeing-Tour oder einkaufen war, ich hatte durchweg ein Gefühl der Gelassenheit. Ich erlebte weder Hektik noch Stress. Die Leute in der U-Bahn hatten es nicht eilig, drängelten oder schubsten sich nicht, obwohl es sehr voll war. Im Grunde leben die Menschen dort diese Entspanntheit und strahlen es auf andere Mitmenschen aus.

Sind Sie in Zukunft an einer weiteren Gastvorlesung in Thailand interessiert?

Ich bin mit einer unvoreingenommenen Offenheit eingereist und einem sehr positiven Fazit wieder abgereist, mit guten Erfahrungen und es hat mir sehr viel Freude und Spaß bereitet. Deshalb sage ich auch ganz klar, das würde ich gerne wieder machen, sofern mein Know-how dort ein weiteres Mal gewünscht wird.