Derzeit ist das Stichwort "Digitalisierung" in aller Munde, ersetzt diesen gar in Form digitaler Assistentinnen mit exotischen Namen. Digitalisierung berührt und verändert mittlerweile alle Lebensbereiche, auch das Lehren und Lernen. Es ist zwar (noch) undenkbar, dass die Lehrenden der Zukunft jederzeit zur Verfügung stehen, auf alle Fragen eine lerntypgerechte digitale Antwort haben und vielleicht "Dilea" oder "Lecturi" heißen. Aber gerade im Studium ist die zunehmende Transformation von Analogem zu Digitalem mehr und mehr spürbar.
Tatsächlich hat die Entwicklung neuer digitaler Techniken und Einsatzmöglichkeiten einen Punkt erreicht, an dem sich Hochschulen wieder verstärkt fragen müssen, wie sie in Zukunft lehren und studieren lassen, forschen und sich organisieren - und natürlich, welches die geeigneten (digitalen) Techniken und Formate dafür sind.
Die Hochschule Bochum hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2021 Digitalisierung in Lehre, Forschung, Weiterbildung und Organisation schrittweise und hochschulübergreifend auszuweiten und die technologischen Optionen für ihre qualitative Weiterentwicklung zu nutzen. Dafür ist es aus Hochschulsicht unerlässlich, diese Veränderung und Integration strategisch zu unterlegen.
Unterstützung erhält sie bei ihrem Weg zu einer Digitalisierungsstrategie jetzt vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und dem CHE Centrum für Hochschulentwicklung sowie der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Diese Institutionen haben sich im "Hochschulforum Digitalisierung" zusammengeschlossen und stehen Hochschulen bei der strategischen Verankerung der Digitalisierung sowie der Nutzung in der Lehre in Form einer Peer-to-Peer-Beratung bei. Die eingesetzte Jury wählte die Hochschule Bochum auf Basis ihres Selbstberichtes als eine von sechs Hochschulen aus.
Bundesweit haben sich 56 Hochschulen für diese Beratung durch kritische Freundinnen und Freunde beworben. Die ausgewählten Hochschulen verfolgten in ihrem Antrag mit der Weiterentwicklung der Lehre klar formulierte Ziele und zeigten einen konkreten Entwicklungs- und Transformationsprozess für Hochschullehre im digitalen Zeitalter auf. Sie werden in einem strukturierten Beratungsverfahren begleitet und dabei von "Peers" unterstützt, also von Experten aus anderen Hochschulen sowie aus Wirtschaft und Gesellschaft. Ziel des Beratungsprozesses ist es, zukunftsweisende Lehr- und Lernkonzepte in den institutionellen Strategien der Hochschulen strukturell zu stärken.
"Digitalisierung wird die Hochschulen tiefgreifend verändern. Die große Resonanz auf die Ausschreibung zeigt die hohe strategische Bedeutung des Themas", konstatiert Dr. Jörg Dräger, Geschäftsführer des CHE Centrums für Hochschulentwicklung. "Hochschulen müssen jetzt entscheiden, wie sie ihre Lehre im digitalen Zeitalter weiter entwickeln wollen und welchen Stellenwert Digitalisierung in ihrem Profil einnehmen soll. Diesen Prozess wollen wir mit der Peer-to-Peer-Beratung begleiten", so Dräger.
Ausgewählt wurde Bochums größte Fachhochschule offenbar, weil sie in Bezug auf ihre Digitalisierungsstrategie bereits eine aktuelle und übergreifende Bestandsaufnahme vorweisen konnte. "Wichtig war aber wohl auch, dass wir den Prozess ergebnisoffen und transparent gestalten", erläutert Hochschul-Vizepräsidentin Prof. Dr. Eva Waller. "Gerade darum kann die Peer-to-Peer-Beratung ein bereicherndes Instrument sein."
Im Vorfeld der strategischen Schärfung wurden alle Lehrenden der Hochschule zu einer Befragung "Digitalisierung - Nutzung und Bedarf an der HS BO" eingeladen. Allein über 50 % der Hochschullehrerinnen und -lehrer haben sich beteiligt. "Erste zentrale Ergebnisse sind u. a., dass an der Hochschule "moodle" oder ähnliche Lernplattformen, audiovisuelle Lernmedien sowie Blogs und Wikis die TOP 3 der bereits eingesetzten E-Learning-Elemente sind", berichtet Hochschuldezernent Thorsten Bordan. "Allerdings kommen auch interaktive Lernmedien und elektronische Feedbacksysteme vermehrt zum Einsatz. Lernplattformen werden vorwiegend zur Bereitstellung von Lernmaterialien sowie zur Kommunikation und Interaktion mit den Studierenden genutzt." Diese bewährte Nutzung wird Basis sein für den Ausbau der digitalen Möglichkeiten an der Hochschule. "Die Befragung deutet auch auf die große Neugier der Lehrenden hinsichtlich des Einsatzes neuer, teils noch unbekannter Elemente hin, wie, z.B. E-Portfoliosysteme, E-Assessments oder Learning-Analytics, Prozesse zur Verwendung von Daten mit dem Ziel, Lehren und Lernen zu verbessern", berichtet Thorsten Bordan.
Das Präsidium hat für diesen Veränderungsprozess einen Lenkungskreis mit Vertretern aller Statusgruppen sowie aller wichtigen Hochschulinstitutionen eingerichtet und als Projektleiter Dr. Carsten Köhn, Professor für Internet und Medientechnik, gewinnen können. Außerdem hat die Hochschule auch im eigenen Haus "Peers" motiviert sich einzubringen, Lehrende, die bereits vermehrt digitale Werkzeuge einsetzen also, und die die Entwicklung mitgestalten wollen. In einem gemeinsamen Workshop konnten sie Mitte Juli ihre Ideen und Visionen zusammentragen. Dabei zeichneten sich bereits einige konstruktive Perspektiven ab: "An mehreren Stellen wurde im Workshop auf die Notwendigkeit des unmittelbaren Aufbaus einer zielgerichteten kollegialen Vernetzung von Digitalisierungserfahrungen, also einem entsprechenden Wissensmanagement und Expertisepools verwiesen. Zudem bestehen konkrete Ideen, disziplinbezogen, das Thema Digitalisierung bzw. Arbeitswelt 4.0 kurzfristig auch curricular zu integrieren", schildert Thorsten Bordan.
Auftakt der Peer-to-Peer-Beratung durch das Hochschulforum Digitalisierung wird eine Strategiekonferenz am 12. September in Berlin sein, an der auch Prof. Dr. Waller und Prof. Dr. Köhn teilnehmen. Sie könnte dann Inspirationen für den nächsten Hochschulworkshop in Sachen Digitalisierung im Oktober bieten.
[Pressemitteilung "Hochschulforum Digitalisierung" vom 30.06.2017: " Sechs Hochschulen für Peer-to-Peer Strategieberatung ausgewählt"]