Kaum etwas hat die Welt der Menschen in Corona-Zeiten deutlicher verändert als die verstärkte Digitalisierung von Arbeit und Alltagsleben. Bei dieser Entwicklung vorangegangen sind die Hochschulen im Land. Auch die Hochschule Bochum.
Innerhalb kürzester Zeit wurden hier im Frühjahr letzten Jahres die technischen und methodischen Möglichkeiten so sehr erweitert oder neu geschaffen, dass heute nahezu vollständig über das Internet gearbeitet, gelehrt und gelernt werden kann. Stolz konnte so die Hochschule im April 2020 verkünden, dass sie in wenigen Wochen über 400 digitale Lehrangebote zusammengestellt hatte – ein bemerkenswerter Kraftakt für alle Beteiligten, von den Dozentinnen und Dozenten über die Verantwortlichen in den Fachbereichen, den Mitarbeiter*innen bis hin zu der Campus-IT.
Fast ein Jahr später zeigt sich, dass durch die Vielzahl der Initiativen und Entwicklungen die digitale Hochschule im Alltag funktioniert. Die Lehr- und Lernplattform Moodle ist zum Standard für die Organisation und Bereitstellung des Lehrangebotes geworden, die meisten Professor*innen haben auf Live-Veranstaltungen in Online-Konferenzräumen umgestellt, so dass Fragen von Studierenden direkt beantwortet werden können und Interaktion und Gruppenarbeit in virtuellen Räumen stattfinden kann. Heute ist das Videokonferenzsystem „BigBlueButton“ oder Zoom überall in der Hochschule stetiges Kommunikationsmittel.
Und gerade in diesem organisatorischen Rahmen sehen auch die Studierenden wichtige Vorteile. „Die digitalen Vorlesungen geben einem viel Flexibilität“, meint Architekturstudentin Julia Dregert. „Man ist nicht an den Hörsaal gebunden und kann von fast überall teilnehmen oder sich die Vorlesung im Nachhinein noch mal anhören." Und Matz Sell, Masterstudiengang ‚Angewandte Nachhaltigkeit‘, meint: „Die Onlineveranstaltungen an der Hochschule Bochum bieten die Möglichkeit sich effizienter zu organisieren. Das Finden eines gemeinsamen Termins oder die Organisation von Arbeitsgruppen gelingt meist mit deutlich weniger Zeitaufwand. Zusätzlich entfallen die Anfahrtswege und deren Organisation.“
„Die größte Herausforderung“, weiß Prof. Dr. Thomas Eder vom Fachbereich Mechatronik und Maschinenbau, „ist aber der Umgang mit der geringeren zwischenmenschlichen, persönlichen Nähe.“ Exemplarisch sei dabei eine typische Situation in digitalen Lehrveranstaltungen: „Als Dozent möchte ich natürlich, dass die Studierenden mir zuhören und ich gezielt ‚herüberbringen‘ kann, was ich vermitteln möchte. Da ist es gut, wenn sie ihr Mikrophon ausgeschaltet haben. Andererseits möchte ich sie zu Feedback und Beteiligung bei Fragen und Diskussionen aktivieren. Das ist also ein Lernprozess: Ich muss verstehen, warum sich die Studierenden nicht so häufig äußern wie in Präsenzveranstaltungen üblich. Und die Studierenden sollten ihre Aufmerksamkeit aufrechterhalten, nicht unbemerkt ‚abtauchen‘“, beschreibt er.
Die Lehre spannend, vielgestaltig und auch unterhaltsam zu gestalten und dabei neue Möglichkeiten und Chancen zu entdecken sei also entsprechend wichtig. Im Juni 2020 führte Moodle-Experte Prof. Dr. Roland Böttcher zusammen mit weiteren Kollegen das „Forum digitale Lehre“ ein, das heute kurz „DigiTeach“ heißt. Es ist ein geschützter Raum für Lehrende zum Austausch von Wissen, Ideen und Methoden, der die Vielfalt, Kreativität und Qualität der digitalen Lehre fördert und mehrt, weiß Prof. Eder zu berichten. „Heute gehören dem Forum ca. 340 Personen an.“
Wissenswertes und Moodlekurse, etwa zum Umgang mit Kahoot-Quizen zum spielerischen Überprüfen von Lernfortschritten, finden sich dort. Und auch ein großer Bereich für die „Digitalen Prüfungen“ ist entstanden. Der Teil „Organisation und Recht“ soll Gewissheit bei entsprechenden Fragen schaffen.
Nicht zuletzt haben die Erfahrungen dieses Austauschs zu der Erkenntnis beigetragen, dass die Vielfalt digitaler Formate geradezu dazu einlädt, Vertiefungsangebote zum eigentlichen Lehrstoff zu bieten. Prof. Dr. Rolf Tappe, Lehrpreisträger und selbst einer der frühen ‚Überzeugungstäter‘ des DigiTeach: „Die Digitalisierung grundlegender und, räumlich wie zeitlich unabhängiger Inhaltsvermittlung ermöglicht den Lehrenden den Fokus ihres direkten Austauschs mit den Studierenden stärker auf die Vertiefung und praxisnahe Anwendung der Inhalte zu legen. Nicht zuletzt wird dadurch neben der tieferen Durchdringung der Lerninhalte auch die Vermittlung elementarer digitaler Kompetenzen für das Lernen und Arbeiten von morgen vermittelt.“
„DigiTeach ist eine ‚Teamschaftsleistung‘, zu der jede und jeder Teilnehmende Beiträge leisten kann“, erzählt Prof. Eder. Zu den Themen zählen natürlich auch digitale Prüfungsformen und –methoden. So hat er Anfang Februar einige „Q&A Sessions“ moderiert, bei denen Prof. Dr. Roland Böttcher die Möglichkeiten in Moodle für digitale Prüfungen demonstrierte. „So konnte jeder für sein Fach eine geeignete Form finden, wie man seine digitalen Prüfungen gestalten möchte.“
Gute Erfahrungen haben jetzt Lehrende wie Lernende im Fachbereich Wirtschaft mit Open Book Prüfungen, also Klausuren, bei denen schriftliche Hilfsmittel wie Bücher und Skripte oder auch Internetrecherchen erlaubt sind, gemacht, berichtet Prof. Tappe. Und das konnte übrigens auch BWL-Student Dominik Flieter bestätigen: „Mit der Umsetzung der Open Book Klausuren unter diesen Corona- Bedingungen war ich sehr zufrieden. Die Profs sind im Vorfeld alles nochmal durchgegangen und auch während der Klausur waren sie immer per Chat oder Telefon ansprechbar.“
Hohe Flexibilität und Leistungsbereitschaft bei der Digitalisierung der Lehre zeigt die Hochschule auch am Campus Velbert/Heiligenhaus. „Dem CVH ist es schon zum Start des Sommersemesters 2020 gelungen, den Lehrbetrieb digital anzubieten – ohne Zeitverlust für die Studierenden“, berichtet Standortsprecher Prof. Dr. Markus Lemmen. „Dafür haben alle Lehrenden Hand in Hand und mit sehr großem Engagement gearbeitet.“ Auch in Heiligenhaus wurden sämtliche Prüfungen in Rekordzeit ausschließlich auf digitale / virtuelle Formate wie Open-Book-Prüfungen umgestellt. „Hierbei haben wir darauf geachtet, die Studierenden so früh wie möglich über die Prüfungsform zu informieren“, so Dr. Lemmen.
Exemplarisch für die ganze Hochschule zeigt der Präsident der Hochschule, Prof. Dr. Jürgen Bock das Spannungsfeld auf, in dem der Anspruch an die digitalen Prüfungen steht: „Wir wollen zum einen der Verantwortung gegenüber den Studierenden gerecht werden sie durch die geänderte digitale Prüfungssituation nicht mehr als unbedingt nötig zu belasten. Andererseits ist auch der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gerecht zu werden, dass die Kompetenzen der Studierenden auch hinreichend gut abgeprüft und gesichert werden können.“
Dass sich auch die Hochschulverwaltung den geänderten digitalen Notwendigkeiten angepasst hat, versteht sich fast von selbst. So nutzt auch die Zentrale Studienberatung (ZSB) Moodle für ihre Orientierungs- und Unterstützungsangebote und bietet zur Zeit 19 Kurse zu allgemeinen Studienberatung, Studienfinanzierung-, Stipendien- und Sozialberatung, Studierendencoaching und psychosozialer Beratung an. Die Hochschulbibliothek hat vielfältige virtuelle Führungen erstellt und das Angebot an E-Books deutlich ausgeweitet.
Sogar Tutorien sind heute sehr erfolgreich digital. Das Mathetutorium am CHV ist dafür ein schönes Beispiel. Tutor Joshua Fichtel: „Der CVH hat sich unheimlich bemüht, dass wir unser Grundlagentutorium auch digital durchführen konnten. Wir haben dafür ein USB-Grafiktablet und eigene digitale Räume zur Verfügung gestellt bekommen. Aus studentischer Sicht war das unserer Ansicht nach super wichtig, da viele Studierende der ersten Semester einfach Unterstützung bei der Prüfungsvorbereitung brauchen und das Grundlagentutorium hier einen wichtigen Beitrag leistet. Gerade durch das verkürzte Wintersemester wünschen sich wieder viele Studierende, dass dieses Grundlagentutorium auch in den Semesterferien fortgeführt wird. Dieser Wunsch macht uns natürlich auch ein bisschen stolz, da wird so die Rückmeldung bekommen, dass unser Grundlagentutorium hilft, die fehlenden Präsenzveranstaltungen zu kompensieren."
Fazit: Die Pandemie hat bei Veranstaltungen und Prüfungen zu einem digitalen Umbruch geführt. Mit viel Engagement haben sich alle Mitglieder der Hochschule Bochum dieser außerordentlichen Herausforderung gestellt und das mit großem Erfolg. Wenngleich sich Alle wieder Präsenz wünschen wird – so wie es aussieht – auch das Sommersemester digital starten müssen.