Von Rüdiger Kurtz
Seit 2013 wird der Förderpreis jährlich an eine junge Mutter als Anerkennung für die Doppelbelastungen, denen sie während ihres Studiums ausgesetzt war, vergeben. Bei Norma Theis handelte es sich sogar um eine Dreifachbelastung, da sie parallel zum Studium und der Erziehung ihrer drei Töchter auch noch einen Job in Führungsposition zu bewältigen hatte.
Nachdem sie 2010 ihre Berufsausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau bei der REWE Dortmund SE & Co. KG erfolgreich abgeschlossen hatte, arbeitete Norma Theis vier Jahre als Sachbearbeiterin und Junior Consultant, ehe sie in die Verwaltungsleitung der Kommende Dortmund, dem Sozialinstitut des Erzbistums Paderborn, wechselte. "Das war und ist eine spannende Arbeit, die mir viel Freude bereitet", erzählt die in Werne geborene 33-jährige Jungakademikerin. Dennoch verspürte sie immer wieder den Drang, sich neben ihrem Job weiterzubilden.
Nach dem erfolgreichen Abschluss einer nebenberuflichen Weiterbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin schrieb sich Norma Theis 2014 an der Hochschule Bochum für das Verbundstudium Betriebswirtschaft ein. "Die ersten Semester während des Studiums verliefen reibungslos", erinnert sich Norma Theis: "Ich hatte meinen Tagesablauf gut organisiert, habe tagsüber in Vollzeit gearbeitet und abends und an den Wochenenden zielstrebig studiert."
2015 folgte die Hochzeit mit ihrem Mann, Sebastian Theis. Kurz darauf wurde sie schwanger. "Zunächst dachte ich, dass ich das Studium parallel zur Schwangerschaft und Berufstätigkeit im gewohnten Tempo fortführen könnte", so Theis. Mit der Geburt von Tochter Mia Leonie im Mai 2016 wurde die Belastung dann aber doch zu hoch: "Die Verantwortung für einen kleinen Menschen hat mich mehr beansprucht als ich vorher gedacht habe." Im Sommersemester 2016 absolvierte sie erstmalig keine Prüfungen.
Der Ehrgeiz war aber nach wie vor da. Bereits vier Monate nach der Geburt nahm sie in geringem Umfang ihre Berufstätigkeit und das Studium wieder auf. "Aufgrund meiner hohen Ansprüche, plante ich den weiteren Studienverlauf mit reduziertem Tempo." Dann kam die zweite Schwangerschaft und schnell war klar: Zwillinge stehen ins Haus. Im November 2017 kamen Lea Marie und Ida Loreen zur Welt. An Studieren war mit zwei Säuglingen und einem Kleinkind zunächst nicht mehr zu denken. "Ich nahm zwei Urlaubssemester und habe mich ein Jahr lang voll und ganz auf meine Töchter konzentriert", erzählt Norma Theis. Danach hieß es dann die verlorene Zeit im Studium aufzuholen. In den Beruf stieg sie dazu erst zum zweiten Geburtstag der Zwillinge mit zunächst 25 Stunden pro Woche wieder ein. "Ich schätze mich sehr glücklich, mit dem Erzbistum Paderborn einen so familienfreundlichen Arbeitgeber zu haben, der mich zudem bei meinem Studium unterstützt hat", so Theis: "Mir ist bewusst, dass diese Flexibilität was Elternzeit und Studium betrifft nicht mit jedem Arbeitgeber möglich ist."
2019 entschließt sie sich gemeinsam mit ihrem Mann zum Hauskauf. "Da gab es dann zusätzlich auch noch jede Menge mit den Behörden und Handwerkern zu diskutieren und organisieren", schüttelt Norma Theis im Nachhinein ungläubig den Kopf: "Wir haben mit unseren drei Kleinkindern eine ganze Weile auf einer Baustelle gelebt." Ihr Mann arbeitet in Vollzeit als Produktionsleiter und kommt in der Regel werktags erst am frühen Abend nach Hause. Zum Glück stehen dem jungen Paar die Großeltern und Tanten unterstützend zur Seite. Dennoch kommt die junge Mutter immer wieder an ihre Belastungsgrenzen. "Die Kinder wurden grundsätzlich zur Klausurenphase oder zum Wochenende krank", lacht Norma Theis im Rückblick: "Grippe, Scharlach, eitrige Mandelentzündungen, Knochenbrüche, zweimal Corona inklusive Quarantäne – wir haben kaum etwas ausgelassen."
Das Studium kann sie zeitweise nur durch Nachtschichten aufrechterhalten. "Im letzten Semester habe ich bis 2 Uhr nachts am Schreibtisch gesessen, an sieben Nächten in der Woche", so Theis. Während der Bachelorarbeitsphase musste sie sich dann aufgrund einer akuten Blinddarmentzündung einer Operation unterziehen. "Ich wollte vermeiden, in das nächste Semester gehen zu müssen", erläutert die junge Mutter: "Die Dozenten zeigten zum Glück viel Verständnis und haben mich in dieser Situation toll unterstützt. Ich konnte sie sogar sonntags kontaktieren." Ein dauerhafter Spagat sei die Mehrfachbelastung trotzdem gewesen: "Als Führungskraft wollte ich für meine Mitarbeiter präsent und ansprechbar sein, als Fachkraft innovative Prozesse initiieren und als Studentin gute Leistungen erbringen." Die größte Herausforderung habe aber darin bestanden, den eigenen Ansprüchen als Mutter gerecht zu werden: "Vor allem die Phase der Bachelorarbeit hat uns als Familie viel abverlangt, da ich wochenlang nicht wie gewohnt für die Kinder da sein konnte."
Dennoch bereut sie ihre Entscheidung nicht. Als Tochter einer Arbeiterfamilie konnte sie den direkten Weg ins Studium nach dem Abitur aus finanziellen Gründen nicht gehen. Umso mehr freut sie sich nun, dass sie den Bachelor-Abschluss als Betriebswirtin über einige Umwege und Hürden mit sehr gutem Ergebnis absolviert hat. "Mir ist irgendwann klar, geworden, dass mir eine berufliche und fachliche Weiterentwicklung nur durch ein Studium möglich sein wird", so Norma Theis: "Die Bedingungen im Bochumer Verbundstudiengang waren dafür ideal."
Seit ihrem Abschluss genießt sie die Zeit mit der Familie. Die 500 Euro Preisgeld für den Förderpreis sind schon zu einem großen Teil in Ausflüge in ein Erlebnisbad, einen Freizeitpark und einen Zoobesuch geflossen. Im Juni steht ein gemeinsamer Bauernhof-Urlaub an. "Wir holen gerade so viel Familienleben wie möglich nach und genießen die gemeinsame Zeit", freut sich die Hochschulabsolventin, Verwaltungsleiterin und dreifache Mutter.