1.) Glauben Sie nach der Tour, dass die E-Mobilität wirklich für Langstrecken geeignet ist oder eher für Kurzstrecken im Alltag?
Ich glaube, dass die E-Mobilität für die Langstrecke geeignet ist. Viele Menschen, denen wir begegnet sind, haben Zweifel daran. Wir lernten, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt. Es mangelt an der Ladeinfrastruktur (vor allem in ländlichen Gegenden). Zwar konnten wir die Roller immer laden, da hierfür auch eine normale Steckdose reicht, aber für E-Autos ist dies nicht möglich. Zudem stellte die Ladedauer für uns eine Herausforderung dar. Wir luden die Akkus in der Nacht und am nächsten Tag tauschten wir die Akkus auf der Strecke, um weiter fahren zu können.
An dieser Stelle muss differenziert werden, dass unsere E-Roller Tour kein Regelfall ist. In einem realistischen Anwendungsfall werden nicht innerhalb von 28 Tagen rund 2.500 km zurückgelegt. Wir waren manchmal ca. 6 Stunden auf dem Roller unterwegs und den Wetterverhältnissen ausgesetzt. Zudem fährt der Roller mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h, weshalb wir uns nur über die Landstraße bewegt haben. Unsere Use Case ist also nicht mit dem normalen Rollernutzung oder einem E-Auto zu vergleichen. Allerdings haben die Roller die Fahrt sehr gut überstanden und wir haben gezeigt, dass es möglich ist.
2.) Hatten Sie Probleme beim Aufladen des Rollers?
Das Laden der Roller war kein Problem, da wir immer eine ausreichende Stromversorgung gewährleisten konnten. Da eine gewöhnliche Steckdose ausreichend ist konnten wir theoretisch überall an Außensteckdosen laden. Die Aufladung wurde zuvor in der Planung mitberücksichtigt. Dadurch standen uns ausreichend aufgeladene Akkus zur Verfügung, um die Bewältigung der Tagesetappen zu gewährleisten und die Wahrnehmung unserer Termine mit Unternehmen und anderen Kontakten aus dem Bereich E-Mobilität zu ermöglichen.
3a.) Gab es ein bestimmtes Highlight auf der Tour?
Ich glaube, dass jeder ein persönliches Highlight hatte, weshalb es schwer ist das „Highlight der Tour“ zu definieren. Wir hatten sehr unterschiedliche Treffen mit den unterschiedlichsten Stakeholdern wie Stadtverter:innen oder Mobilitäts- und Sharinganbieter:innen. Es spielte keine Rolle, ob wir bereits bekannte Partner:innen trafen oder ein neues Netzwerk knüpfen wollten, wir wurden jedes Mal mit sehr viel Freundlichkeit und großem Interesse empfangen. Der Austausch vor Ort hat uns sehr viele Erkenntnisse mitgegeben und war gerade in Zeiten, in denen wir alle digital arbeiten und netzwerken sehr besonders. Die Gespräche konnten sich besser entwickeln und ermöglichten uns weiter über den Tellerrand zu schauen.
Große Unterstützung erhielt unsere Tour sowohl von der Gesellschaft der Förderer der Hochschule Bochum, sowie von dem Rollerhersteller des „Kumpan electric“ (e-bility GmbH), dem Sharinganbieter „Tier“ (Tier Mobility GmbH), sowie weiteren Unternehmen der E-Mobilitätsbranche und aus dem Bereich der Motorradbekleidung (mehr hierzu auf der Webseite https://bobbyescooter.de/deutschlandtour/ ). Außerdem sind wir dankbar für die Treffen, die in diesem Zuge stattgefunden haben, wie zum Beispiel in den Städten Berlin, Hamburg, Frankfurt und Leipzig. Mehr hierzu auf unserer Webseite im Tourtagebuch. Eine Reihe an Highlights unserer Reise bietet auch unser After-Video: https://www.youtube.com/watch?v=TbRjHWDJRa4.
3b.) Falls ja: Welches Highlight war es konkret?
Für mich persönlich war es eine besondere Erfahrung über die Landstraßen und Dörfer zu fahren und zahlreiche Orte und Menschen kennenzulernen. Es entschleunigt sehr, wenn man sich nur mit 45 km/h fortbewegt. Die Strecke durch den Thüringer Wald war sehr schön, da die Straßen und vor allem die Landschaft einem sehr viel Fahrspaß bereiten.
4.) Welche Herausforderungen gab es bei der Tour resp. wie wurden diese überwunden?
Eine Herausforderung vor der Tour war zum Beispiel die Routenplanung. Denn zuvor mussten wir festlegen, wann wir wo sein werden und sollten dementsprechend unsere zur Verfügung stehenden Akkukapazitäten an die Streckenlänge, Geschwindigkeit und Topografie anpassen. Zusätzlich spielte die Zeit eine große Rolle. Wie lange brauchen wir für die Strecke, wenn wir nur 45 km/h fahren können? Wie lange hält der Akku durch, wenn wir die ganze Zeit Höchstgeschwindigkeit fahren? Entleert sich der Akku schneller, weil wir viele Berge auf der Strecke haben? Es standen sehr viele Fragen im Raum, die wir nur durch Praxiserfahrung beantworten konnten. Doch das hatten wir uns von dieser Reise auch erhoffen, weil wir solche praktischen Fragen gerne untere realen Bedingungen beantworten wollten.
Leider gab es zu Beginn unserer Tour eine unvorhergesehene Herausforderung, die nicht in unserer Hand gelegen hatte. Der Plan sah vor ein Begleitfahrzeug mit den Akkus und unserem Gepäck auf dieser Reise mitzunehmen. Dieses sollte auch für den Fall dienen, dass ein Roller ausfällt und abtransportiert werden muss. Leider war hierbei die Suche nach einem Begleitfahrzeug, das elektrisch betrieben sein sollte, sehr schwierig. E-Transporter in der Größe wie wir ihn brauchten waren wirklich schwer zu finden. Obwohl wir diese Hürde überwinden konnten, teilte uns das Verleihunternehmen einen Tag vorher mit, dass unser Fahrzeug leider kaputt sei. Aus diesem Grund mussten wir kurzfristig umplanen und auf eine schnelles, aber herkömmliches Verleihunternehmen mit Verbrennerfahrzeugen zurückgreifen.
Eine kleine und marginale Herausforderung an einigen Tagen waren die Wetterverhältnisse wie Kälte und Regen, die an unseren Kräften gezehrt haben.
5.) Wie sehen Sie die E-Mobilität in 20 Jahren und sehen Sie Deutschland momentan auf einen guten Weg?
Aus den Erfahrungen dieser Reise habe ich gelernt, dass sich die Städte auf ihrem Weg zur E-Mobilität stark unterscheiden. Deshalb kann ich diese Frage nicht für ganz Deutschland beantworten. Ich kann dazu sagen, dass sich im Bereich der E-Mobilität in den nächsten Jahren stärker mit den Themen Ladeinfrastruktur und Akzeptanz beschäftigt werden, wird. Nicht nur im technischen Bereich wird es Neuerungen und Entwicklungen geben, denn die E-Mobilität hängt auch mit struktureller und gesellschaftlicher Transformation zusammen. Deshalb wird sich in dieser Hinsicht noch viel in den nächsten Jahren verändern.
6.) Ist die Deutschlandtour der Anfang einer PR-Initiative für eine erprobte Vorführung der Vorzüge der diesbezüglichen E-Mobilität an der Hochschule Bochum?
Wir hatten die Idee der Deutschlandtour, weil wir den Studierenden praktische und anwendungsnahen Lehre ermöglichen wollten, die in Zeiten unserer Corona-Pandemie leider zu kurz kommt. Deshalb fand unsere Tour im Rahmen einer durch QVM-Mitteln finanzierten Exkursion statt und im Vordergrund stand die Wissenserweiterung der teilnehmenden Studierenden, aber auch in der Weitergabe unserer eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Studierenden durch die Planung und technischen Umsetzung dieser Tour wichtige Erfahrungen sammeln konnten. Das geschaffene Netzwerk wird ein Vorteil für das Labor für Nachhaltigkeit in der Technik sowie die Hochschule Bochum sein. Weiterhin wird die E-Mikromobilität in dem Lehrprojekt „BObby Sharing“ und in Forschungsprojekten wie „Smart City Sustainable Mobility“ des Labors vorangebracht.
Die Tour hat uns gezeigt, dass sehr viele Menschen die Zukunft in der E-Mobilität sehen und dass Sharingangebote an Bedeutung gewinnen, da die Unternehmen ein Interesse an diesen innovativen Geschäftsmodellen haben. Unsere Ergebnisse der Lebenszyklusanalyse von E-Moped Sharing zeigt, dass die Emissionen pro Personenkilometer (20-58 g CO2-eq./pkm) ähnlich zu den Emissionen von Elektrobussen (27-52 g CO2-eq./pkm) sind. Das bedeutet im Vergleich zum privaten Fahrzeug oder dem öffentlichen Nahverkehr ist das Treibhausgaspotenzial geringer bei einem shared E-Moped. (Mehr Informationen: https://www.mdpi.com/2071-1050/13/15/8297/htm)
Im Gespräch mit den unterschiedlichen Stakeholdern im Bereich E-Mobilität und haben größtenteils eine positive Einstellung wahrgenommen. Allerdings merkten wir auch, dass die breite Öffentlichkeit Herausforderungen in der Umsetzung sieht. An dieser Stelle ist vor allem die Unterstützung von Seiten der Regierungen und den lokalen Mobilitätsverantwortlichen von Nöten, um Angebote attraktiv zu gestalten und in das Stadtbild zu integrieren. E-Fahrzeuge und Konzepte wie Sharingangebote können nachhaltige Lösungen für viele Verkehrsherausforderungen sein und sollten aus diesem Grund zielgerichtet gefördert werden. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass Vorbehalte durch Probefahrten, Veranstaltungen oder kostenlose Angebote ausgeräumt werden kann und so die Akzeptanz gefördert wird.