Gründe für einen Auslandsaufenthalt gibt es für die Studierenden der Hochschule Bochum sicherlich vielfältige. Für Markus Dannehl war es vor allem die Sprache: „Es hat mich immer schon begeistert, möglichst flüssig Französisch zu sprechen. Ich wusste aber: wenn ich nicht einmal einen längeren Zeitraum in Frankreich verbringe, dann werde ich das auch nie richtig lernen.“ Diesen Wunsch konnte sich der Mechatronik-Ingenieur, der aktuell am Campus Velbert/Heiligenhaus für den Master Technische Informatik studiert, jetzt gegen Ende seines Studiums erfüllen: Mit der Unterstützung durch ein Erasmus+ Stipendium konnte er ein sechsmonatiges Auslandspraktikum an der französischen Partneruni Clermont Auvergne INP in Clermont-Ferrand absolvieren.
Den Kontakt in die Auvergne und zum ISIMA (Institut Supérieur d’Informatique, de Modélisation et de leurs Applications) der Universität vermittelte die engagierte Sprachlehrerin Marion Werthebach aus dem Fachbereich Mechatronik und Maschinenbau, die einst vor ihrer Tätigkeit an der Hochschule Bochum fünf Jahre als DAAD-Lektorin in Clermont-Ferrand gearbeitet hat. Bei der Bewerbung um das Stipendium hat ihn sodann Martina Denter vom International Office der Hochschule tatkräftig unterstützt.
Und natürlich gab es einiges vorzubereiten, bevor das Praktikum am 1. März 2022 offiziell startete: es galt etwa, einen Platz in einem Studierendenwohnheim zu mieten (auch ein Stromvertrag musste dazu im Vorfeld extra abgeschlossen werden). Er fand eine 25 qm große 2-Zimmer-Wohnung für rund 600 Euro pro Monat; das Haus hatte aber immerhin einen kleinen Fitness-Raum mit einigen Geräten, einen Aufenthaltsraum mit Billard-Tisch und eine Tiefgarage fürs Auto. Einen Tipp gibt Markus Dannehl allen, die auch einen Auslandsaufenthalt planen: Ein paar Tage früher als unbedingt nötig anreisen! So konnte er schon seinen Praktikumsort auskundschaften und auch das eine oder andere an Nahrungsmitteln und Ausstattung für seine Wohnung besorgen. Und er war froh, dass er sich über die hauseigene WhatsApp-Gruppe über die Funktionsweise seiner keineswegs selbsterklärenden Herdplatte informieren konnte…
Recht gut gefallen hat dem Masterstudenten sein Praktikum. „Multichannel image to image translation in solar imaging” war der Titel des Forschungsprojektes, das ihm allein übertragen wurde. Dabei ging es um Training und Optimierung eines Generative Adversarial Network, kurz GAN, also eines Machine-Learning-Modells, das in der Lage ist, Daten zu generieren. Ziel dieser Aufgabe war es, mit dieser KI-Methode möglichst realistische Magnetogramme (HMI) aus mehrkanäligen Extrem-Ultraviolett-Aufnahmen der Sonne zu erzeugen.
In das Thema musste sich Markus Dannehl natürlich erst einarbeiten. Mit solchen Bildern der Sonne kannte er sich zunächst gar nicht aus. Aber auch die Algorithmen des Maschinellen Lernens, die verwendet wurden, um die Magnetfeld-Bilder zu generieren, waren ein neues Verfahren für ihn – auch wenn das Thema Künstliche Intelligenz am Campus Velbert/Heiligenhaus durchaus stark vertreten und somit kein Neuland für ihn war. „Darauf konnte ich tatsächlich aufbauen“, bestätigt er.
Auch wenn Markus‘ Projekt eine Einzelarbeit war, entstand sie im Rahmen einer internationalen Forschungskooperation mit dem Royal Observatory of Belgium. So wurde er für die Zeit seines Aufenthaltes zum Teil des Teams, das aus Vincent Barra, seinem Professor in Clermont-Ferrand, Véronique Delouille, Researcher am Royal Observatory, Professor Mark D. Butala und seiner PhD-Studentin Xiaoyue von der Zhejiang University in China bestand. Und während die Zusammenarbeit hier natürlich in Englisch erfolgte, durfte er sich auf seinen Wunsch hin mit Vincent Barra ausschließlich auf Französisch austauschen.
Es hat etwas gedauert, bis er bei seinem Praktikum in Kontakt mit anderen Studierenden gekommen ist. „Aber mit der Zeit hat man sich auch kennengelernt, geht zusammen Mittagessen, trifft sich auch außerhalb der Arbeitszeit, um zusammen etwas zu machen“, schaut Markus Dannehl zurück. „Und im Rückblick habe ich es sehr genossen Leute kennenzulernen, die von überall auf der Welt herkommen. Und das bezieht sich nicht nur auf die Arbeit, sondern auf die gesamte Reise.“
Den Kontakt zu französischen Studenten und Studentinnen fand er nicht zuletzt bereichernd, weil er so sein sprachliches Können vertiefen und erweitern konnte. Er fand es sogar als tolle Erfahrung, sich mit Menschen zu unterhalten, die nur Französisch (und ggf. eine andere Muttersprache) sprachen. „Da kann man eben nicht mal eben auf Englisch wechseln“, schmunzelt er. Und ihm erschlossen sich neue Perspektiven auf unterschiedlichste Themen und Lebensaspekte wie Natur, Arbeit, Geld, Frieden/Sicherheit, Kultur und Gastfreundschaft, zumal er internationale Studierende aus so unterschiedlichen Ländern wie Spanien, der Tschechischen Republik, Mexiko, Russland, Libanon, Iran, China und den Komoren kennenlernen durfte. „Schade eigentlich“, fügt er an. „Man lernt Leute kennen, mit denen man sich total gut versteht, aber zwangsläufig trennen sich die Wege wieder. Mit manchen habe ich aber noch Kontakt, ggf. besuche ich auch nochmal den oder die eine(n) oder andere(n).“
Der Aufenthalt in der Studierendenstadt Clermont-Ferrand mit vielen jungen Leuten, einem großen kulturellen Angebot und vielen Events hat ihm gefallen. Allerdings: Dafür, jede Nacht durch die Discotheken zu ziehen, sei er nicht der Typ, sagt er. Er habe trotzdem viele Leute kennengelernt, mit denen er ins Gespräch gekommen sei. Eine Rolle dabei gespielt hat zum Beispiel, dass er gern Musik macht. Er spielt Keyboard. So hat er Leute gefunden, mit denen er Musik gemacht hat. Mit einer Armenierin hat er sich etwa bei einem Chinesen getroffen und festgestellt, dass dieser Gitarre spielt und sie sehr gut singt. Zufällig stand dort auch ein Keyboard … Zusammen haben sie dann ein paar Songs ausprobiert und dazu ein paar Gläser Wein getrunken. Eine tolle Erfahrung, schwärmt er.
Das Thema Musik hat sich übrigens durch seinen ganzen Aufenthalt in Clermont-Ferrand durchgezogen: In Frankreich, erzählt er, gibt es häufig öffentliche Klaviere. Etwa an Bahnhöfen steht ein Klavier, an dem „À vous de jouer“ steht. Und da kann man sich, wenn es gerade frei ist, dransetzen und spielen. So hat er sich alle 1-2 Wochen mit einer Französin am Bahnhof oder in der Universität getroffen: der Heiligenhauser übernahm das Klavier, sie den Gitarrenpart und Gesang. Und in einem Café kam er mit einem älteren Herrn ins Gespräch. Gemeinsam haben sie dann das dortige Klavier ausprobiert und jeder hat ein paar Lieder gespielt. „Musik verbindet die Menschen“, kann Markus Dannehl nur bestätigen, „egal welchen Alters und egal welcher Herkunft.“
Dass Clermont-Ferrand in der Auvergne im Departement Puy-de-Dôme im Zentralmassiv liegt, das kam dem Studenten aus dem Bergischen Land durchaus entgegen. In seiner Freizeit den ganzen Tag am Meer am Strand zu liegen sei eh‘ nicht sein Ding. Wohl aber zahlreiche Ausflüge in die Umgebung. „Man kann superschöne Wanderungen machen. Die Landschaft ist atemberaubend“, erzählt er. Der Puy de Dôme ist der höchste Gipfel der Vulkankette Chaîne des Puys. Er ist quasi von ganz Clermont-Ferrand aus gut zu sehen, lockt also jederzeit in die Natur des Umlandes. Mit einer Gruppe Biologen – „Studenten und Praktikanten wie ich“ – hat er eine beeindruckende Tageswanderung zum ca. eine Autostunde entfernten Puy de Sancy, dem höchsten Berg des Zentralmassivs gemacht. „Sie hatten einen ganz anderen Blick auf die Natur, achteten auf die Tiere ihrer Umgebung und brachten mir beispielsweise bei, wie man Brennnesseln unbeschadet anfassen und essen kann. Tolle Leute“, stellt er zurückschauend fest.
„Ich bin so froh, dass ich es gewagt habe“, bekennt Markus Dannehl, wenn er jetzt an sein Praktikum zurückdenkt. „Durchweg positive Erfahrungen habe ich mit den Menschen gemacht, die ich getroffen habe. Auch im Alltag sind die meisten hilfsbereit, freundlich und interessiert zu erfahren, wo man herkommt.“ Und sein Hauptanliegen, so viel und so gut wie möglich Französisch zu sprechen, konnte er ebenfalls umsetzen. „Die Reise hat mich sprachlich deutlich weitergebracht und mir zusätzlich einen neuen Blick auf vieles verschafft“, stellt er fest.
„Jede und jeden, der oder die über einen Auslandsaufenthalt nachdenkt und zögert, möchte ich ermutigen: ich kann es sehr empfehlen, sich auf ein solches Abenteuer einzulassen.“ Und er ist auch bereit, seine Erfahrungen weiterzugeben. „Wenn da jemand Fragen an mich hat oder Details zu meinem Auslandspraktikum wissen möchte, kann er oder sie gern zu mir Kontakt aufnehmen.“