Der Blick nach vorn war in den letzten 20 Jahren immer der Fokus, den der Masterstudiengang AMM Architektur Media Management im Blick hatte. Zu seinem Geburtstag machten Studiengangsleiter Prof. Jan R. Krause und das studentische AMM-Team Anfang April 2022 „Die Zukunft der Architekturvermittlung“ auch explizit zum Thema. Denn die Digitalisierung mit Stichworten wie Künstliche Intelligenz, Big Data und mit einer rasanten Weiterentwicklung bei der Architekturvisualisierung, aber auch Anliegen der Nachhaltigkeit sind Treiber dieser Veränderung. Eine über YouTube live übertragene Pressekonferenz, die gewissermaßen als Ouvertüre zum anschließenden AMM-Symposium „Stoffwechsel“ fungierte, beleuchtete diese Dynamik.
Unterstützung hatte sich das AMM-Team durch Experten geholt, die mit ihren Ansätzen und Sichtweisen die Trends der Architekturkommunikation reflektieren halfen. Erfolgreiche Absolventin des AMM-Studiengang ist Rebekka Pottgüter. Sie ist heute Head of Communication bei HPP in Düsseldorf, einem Architekturbüro mit rd. 400 Mitarbeiter*innen aus an die 50 Nationen mit einer deutlich internationalen Ausrichtung auch in seinen Aktivitäten.
Sie brachte drei Impulse zur Zukunft der Architekturkommunikation in das Gespräch ein: Getrieben von Digitalisierung und Nachhaltigkeit verändere sich Architektur, die Prozesse dahinter und die Kommunikation dazu. Als Konsequenz forderte sie zum einen eine inhaltsgetriebene Unternehmenskommunikation, die Mehrwerte für die Stakeholder darstellt und eine Haltung gegenüber den eigenen Mitarbeiter*innen vertrete. Es sei wichtig, dass man sich der Verantwortung, die die Baubranche in dieser Zeit hat, bewusst sei und sie auch kommuniziere. Und es werde erwartet, dass substanzielle Antworten vom Unternehmen formuliert werden und nicht mehr nur „schöne Architektur“ gezeigt würde.
Bei ihrem zweiten Impuls ging es Rebekka Pottgüter um die Mitarbeiter-Akquise und –Bindung (Employer Branding). Um geeignete Mitarbeiter*innen zu finden und zu beschäftigen, sei deren Identifikation mit den eigenen Unternehmen und die Kultivierung einer „Wir-Kultur“ unglaublich wichtig. Gleichzeitig komme es darauf an, nicht nur über die Projekte spricht, die das Architekturbüro gestaltet, sondern auch über die Nachhaltigkeitsthemen, die sich in der Unternehmensstruktur und –führung verankern.
Die Agilität der Architekturkommunikation stellte die HPP-Teamleiterin als dritten Impuls vor. Es sei wichtig, intern und mit den eigenen Fachabteilungen, aber auch extern mit Kommunen, Verbänden, mit Fachplanern, Expert*innen etc. kollaborativ zu kommunizieren und natürlich crossmedial über alle zur Verfügung stehenden Kanäle hinweg. Von großer Bedeutung sei es dabei mit den Followern in einen Diskurs zu treten, also interaktiv zu sein, man solle in der Lage sein, zeitgemäße Kanäle zu benutzen. Das seien heute viele Social Media-Optionen, Podcast etc..
„Wie die Zukunft aussieht, das können wir jetzt auch nur erahnen. Und bin mir sicher, dass auch in naher Zukunft wieder ganz viele neue Kanäle hinzukommen – vielleicht die Erweiterung in den virtuellen Raum: Stichwort ‚Metaverse‘. Ich bin gespannt“, schloss Rebekka Pottgüter ihre Ausführungen.
Als zweiter Alumnus des Masterstudiengangs AMM kam David Laska zu Wort. Er entdeckte während seines Architekturstudiums seine Begeisterung für Computer-Visualisierungen und eignete sich eine Vielzahl unterschiedlicher Skills wie 3D-Modeling, Videoschnitt und parametrisches Design an. Er arbeitet als Freelancer im Bereich 3D-Innovationsmanagement, Game Design, VR- und AR-Development, Corporate- & Digital Architecture. Zudem hat David Laska einen Lehrauftrag („Intuitive CAD“) an der Hochschule Bochum und bringt Studierenden dort die freie 3D-Software Blender bei.
In seiner Masterthesis prophezeite er bereits vor einigen Jahren, dass Game-Engineers in der Architekturvisualisierung bald eine zentrale Rolle spielen würden, weil ihre Echtzeit-Möglichkeiten konkurrenzlos seien.
Bevor er dazu kam zu zeigen, dass sich diese Prognose tatsächlich realisiert hat, nahm Laska das Publikum mit auf die Zeitreise durch die letzten 20 Jahre der Visualisierung von statischen einfacheren dreidimensionalen Raumdarstellungen (2002) über Visionen mit echt anmutenden Oberflächen und der Simulation von Lichtern und fotorealistischen Darstellung mi echt wirkenden Schatten und Spiegelungen bis hin zu stilisierten hyperrealistischen Szenarien. Waren bis 2016 Architekturvisualisierungen praktisch nur Bilder. 2018 waren Rechner schließlich schnell genug, dass Videovisualisierungen möglich wurden, mit der Möglichkeit, Bewegung und Wandel darzustellen und atmosphärisch in den gestalteten Raum einzutreten.
In den letzten vier Jahren habe sich sehr viel getan und die gesamte Branche drastisch verändert. Mittlerweile ist die Game-Industrie die größte Unterhaltungsindustrie und gibt für die komplette 3D-Technologie den Ton an. Wenn man derzeit eine High-End-Visualisierung haben möchte, realisiert man sie in einer Game-Engine, stellt David Laska fest. Game-Engineers „spucken quasi als Beiprodukt“ Bilder und Videos aus, praktisch ohne Rendering-Zeit. Und sie bieten die Möglichkeit der Interaktion, man kann in Echtzeit etwa das Licht verschieben, Lichtstimmungen zeigen. Anwender können sich in der Architektur bewegen und mit ihr interagieren – und das in absolut fotorealistischer Grafik. Der Betrachter wird aus seiner passiven Rolle gelöst und wird zum Akteur. „Bald wird auch Game-Design als Werkzeug für Architekten eine sehr wichtige Rolle im Studiengang spielen“, zeigte Laska die Perspektive auf…
Den abrupten Wechsel vom Bild zum Text vollzog Moderator Prof. Krause mit der Vorstellung von Johannes Sommer, CEO des Berliner Tech-Unternehmens Retresco, das sich mit seinen rund 70-köpfigen Team auf die computergestützte automatisierte Erstellung von Texten spezialisiert hat. Sommer ist seit 2013 bei dem 2008 gegründeten Unternehmen. Ursprünglich ging es um die Analyse von natürlichen sprachlichen Texte, deren Inhalte digital verfügbar gemacht werden.
„Wenn man gelernt hat, aus unstrukturiertem Inhalt durch das Kuratieren von Texten Struktur zu schaffen, dann kann man das auch umkehren und aus strukturierten Daten Kontent machen“, führte Johannes Sommer diesen Entwicklungsschritt aus. Mit Kontent sind hier natürlichsprachliche Inhalte gemeint, bei denen nicht mehr zu unterscheiden ist, ob sie von Menschen oder Maschinen erstellt worden sind.
„So generieren wir heute automatische Spielberichte für alle Fußballspiele, die es in Deutschland gibt für den DFB, generieren BIM-Ausschreibungstexte, wir machen Produktbeschreibungen für Webshops – der größte Markt im Moment“, zählte Johannes Sommer auf.
Am Anfang sei dabei Künstliche Intelligenz gar kein großes Thema gewesen, denn die vorgegebenen Strukturen und Regeln hätten lernfähige Systeme nicht unbedingt gebraucht. „Seit fünf Jahren aber explodiert es in dem, was es kann.“ Ziel sei dabei die End-to End-Automatisierung: „Ich gebe einen Inhalt ein, einen Befehl, und die Maschine schreibt am Ende den Output automatisch, ohne dass ein Mensch trainieren muss.“
Kommerzielle Anwendungsfälle hätten sich gerade erst herauskristallisiert würden jetzt in vielen Bereichen der Kommunikation Einzug halten. Es ist nun möglich auch interaktiv zu kommunizieren. „Weil ich Voice-Text habe“, verdeutlichte Johannes Sommer beispielhaft. „Ich kann analysieren: Was will da jemand, der in ein Endgerät spricht, und kann ihm die richtige Antwort in Echtzeit zurückspielen und so weiter.“
Und warum braucht man das? Durch die Digitalisierung sei die Kommunikation eskaliert, von Menschen allein nicht mehr beherrschbar. Viele Kanäle müssten individuell bedient werden und die Nutzer würden erwarten, in Echtzeit Antwort zu bekommen…
Und wie steht es mit Relevanz und Sinn des bisher Gehörten für die Architekturkommunikation? Für diese Fragen holte sich Studiengangsleiter Prof. Jan Krause kollegiale Unterstützung von Prof. Dr. Andrea Mohnert, die auch AMM-Dozentin der ersten Stunde mit dem Schwerpunkt „Zielgruppenorientierte Kommunikation“ ist. Prof. Mohnert erinnerte daran, dass seit den Anfängen von Architektur Media Management immer die Frage gestanden habe, wie man die Wirkung von Kommunikation entfalten könne, die man erreichen will. „Ich glaube, dass Architekt*innen, und das tun sie ja auch inzwischen, gut beraten sind, die Chance zu nutzen, über ihr Bauwerk, über ihre Absichten, über alles was, man ausrichten und abstimmen muss, zu informieren und in den Dialog zu kommen.“ Dabei sei zielgruppenorientierte Kommunikation wirkungsvoller, stellte die Psychologin fest. Es lohne sich zu fokussieren; das vermeide Streuverluste. Und immer sei wichtig, den Faktor Mensch in den Mittelpunkt zu stellen.
Im folgenden Dialog wurden auch die Gefahren und Nachteile der vorgestellten Kommunikationsentwicklungen thematisiert. So beschrieb Prof. Mohnert etwa das durchaus von Johannes Sommer als realistisch eingeschätzte Szenario, dass bei der Auswahl vom Mitarbeiter*innen für ein Architekturbüro, automatisiert anhand von Keywörtern in den Bewerbungsschreiben selektiert werden könnte, ohne die Individualität der Schreiben zu würdigen.
Der Retresco-CEO machte darum deutlich, wie wichtig sorgfältig gewählte automatisierte Verfahren sind. Tatsächliche historisch gesicherte Daten seien eines dieser Sorgfaltskriterien; man dürfe sich nicht aus- oder hinzudenken. Und er fasste zusammen: „Man kann sehr viel automatisieren. Es gibt wahrscheinlich wenig Grenzen dessen, was man automatisieren können wird in der Zukunft. Die ethisch/moralische Debatte ist sehr, sehr wichtig: Wo setze ich das alles ein? Auch wenn ich es kann heißt dass ich tun muss. Und wo ist es sinnvoll?“
Was geht und was Sinn macht sah auch David Laska bei der Architekturvisualisierung differenziert. Allein schon aus Kosten- und Zeitgründen würden sich Visualisierungen mit Game-Engineers durchsetzen. Prof. Krause warnte deshalb davor, dass auf diese Weise auch Versprechungen und Illusionen entstehen können, die mit der Realisierung nicht erfüllt werden können.
Heute würden während des gesamten Planungsprozesses häufiger Visualisierungen eingesetzt, verdeutlicht Laska. „Von Anfang an zeigt man ja den Leuten heute mittlerweile Bilder, damit sie sich darunter etwas vorstellen können. Es gibt aber auch sehr unterschiedliche Arten der Visualisierung. In der zweiten Leistungsphase macht es einfach keinen Sinn, mit einer fotorealistischen Visualisierung um die Ecke zu kommen. Das Projekt ist dann gar nicht auf dem Stand wo das da funktioniert. Da wären abstraktere Darstellungen nötig.“ Ganz anders in der Immobilienbranche. „Diese Leute dort brauchen Fotorealismus um zu verstehen was man kommunizieren möchte.“
„Wichtig für die Zukunft ist, dass man den richtigen Zwischenweg findet und diese Werkzeuge wie Künstliche Intelligenz und interaktive Visualisierung einfach nutzt, aber die Empathie dahinter, die Haltung, die Werte beibehält“, fasste Rebekka Pottgüter am Ende das Gespräch zusammen. Und Prof. Mohnert appellierte, man solle offen, kreativ und weiterentwickelnd damit umgehen.