11. BIM Bier+Brezeln digital | 19. Januar 2021


Wo Deutschlands Bauwirtschaft aktuell in ihrer Entwicklung steht, ist mittlerweile ein zentraler Diskussionspunkt geworden: Die Bauwirtschaft hat im Gegensatz zu anderen Industrien keinen Produktivitätszuwachs erhalten - Potential liegt brach. Mit Aufkommen der BIM Methode, erhält die Bauindustrie die Möglichkeit aufzuholen, die Wertschöpfungskette zu optimieren und wirtschaftlich zu handeln. Konstantinos Kessoudis von der Züblin AG, erläutert in seinem Vortrag „BIM – Status und Ausblick aus Sicht der Bauwirtschaft“ die Auswirkungen der BIM Methodik im Konzern STRABAG.

In anderen Industriezweigen, wie beispielsweise dem Automobilbau, ist das kollaborative, kooperative Arbeiten bereits selbstverständlich. Durch die digitale Datenhaltung wird ein Informationsverlust im Phasenübergang und zwischen den Beteiligten vermieden, wodurch Herr Kessoudis zur Vorgehensweise der Züblin AG übergeht: „Wenn man digitalisieren will, muss man sich selbst digitalisierbar machen“. Züblin hat sich den Einstieg in BIM unter anderem durch eine strukturierte Sichtung an vorhandenem Potential ermöglicht: „Welche Daten haben wir? Wie kann man diese digitalisieren? Versteht jeder diese Daten?“. Bis 2015 war BIM kein Thema in Deutschland. Die Bauwirtschaft ist in Ländern wie den Niederlanden, Katar und Großbritannien gewachsen, in Deutschland jedoch stagniert. STRABAG startete bereits 2001 mit BIM im Unternehmen und entwickelte bis 2015 eigene Konzernstandards und Vorlagen in Form einer eigenständigen und gleichlautenden neuen Wortmarke BIM.5D®, welche die zentralen Aspekte der Planungs-, Bau- und Betreiberprozesse durch kontinuierlich angereicherte, verknüpfte Datensätze umfasst. Es folgten Ausbildungsprogramme für STRABAG-Mitarbeitende, die verstärkte Entwicklung von BIM.5D® Konzern-Standards sowie die Ausbesserung und Bereitstellung der IT-Infrastruktur zur Umsetzung des Vorhabens. Die Definition neuer, interner Firmenstandards erfolgte durch die Identifizierung und Entwicklung neuer Werkzeuge, Methoden, Schnittstellen und Arbeitsweisen: Digitale Vorlagen und Arbeitsvorgaben zur Sicherstellung von Qualität und Schnelligkeit, neue Prozessabläufe und abgestimmte Werkzeuge wurden eingeführt. Da sich die Marktanforderungen an BIM durch die Einführung des BIM Level 2 in Großbritannien auch in anderen Ländern erhöht haben und die BIM-Anforderungen seitens der Kunden gestiegen sind, wurde von STRABAG das weitere Vorgehen verschärft. Internationale Aktivitäten zu Normierungen und Standards folgten bis hin zu Vorschriften der Bundesregierung zur Einführung von BIM, beispielsweise durch die Vorgabe zur Nutzung des BIM Level 1 für alle Infrastrukturprojekte ab dem Jahr 2020 durch den „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“.

Die modellbasierte Planung ist ein elementarer Bestandteil der BIM Methodik. Züblin unterscheidet dabei zwischen Planungs- und Produktionsmodellen, die immer wieder aktualisiert und verändert werden. Bei dem Planungsmodell handelt es sich um ein föderatives Gesamtplanungsmodell aus allen Teilmodellen der einzelnen Planungsdisziplinen zur kollisionsfreien Planung. Darüber hinaus bildet es die Grundlage für Planableitungen und Listen. Anhand des Produktionsmodells können alle Kalkulationen für Herstellung und Abrechnung eines Bauwerks durchgeführt werden. Die Prozesse können digital geplant, unterstützt und ausgewertet werden. Am Schluss steht das Betriebsmodell, welches die Produktdaten und As-Built-Daten für die Bewirtschaftung des Bauwerks enthält.

Herr Kessoudis weist auf die bereits jetzt erkennbaren Vorzüge der BIM Methodik hin: Auch wenn der Kunde keine Anforderungen an BIM stellt, arbeitet der Konzern aufgrund der Zeit- und Kostenersparnis bereits in 3D unter Anwendung der BIM Methode. Seit 2018 hat STRABAG erfolgreich das 5D-Modell integriert welches die digitalen Terminplanung, Kalkulation und Arbeitsvorbereitung enthält. Aktuell werden erste Schritte in der Entwicklung von Lösungen für Logistik und Ausführung, Leistungsmeldungen sowie Kostenkontrolle gemacht.

Es folgen Einblicke in aktuelle Projekte – schwerpunktmäßig Hochbau- sowie Verkehrswegebauprojekte - unter Nutzung von BIM.5D®, welche die Potenziale der BIM Methode veranschaulichen:

  • Hochbau | The Oval: Die Ausschreibungsunterlagen für den Ausbau werden automatisch abgeleitet
  • Hochbau | Messe City Köln & Behrensufer Berlin & Kongresshotel Hafencity: Unternehmensübergreifende Zusammenarbeit mit entwickelten Bauteilkatalogen
  • Infrastrukturbau | Tunnel Rastatt: Größtes BIM-Testprojekt der Deutschen Bahn

Hierbei bereits unterstützte Leistungen umfassen beispielsweise das BIM-Management, die BIM-basierte Planung, BIM in der Bauphase, BIM im Facility Management, Visualisierung…

Der Konzern arbeitet zudem an der digitalen Produktionsunterstützung und zeigt am Beispiel Stuttgart 21, dass für die modellbasierte Ableitung von Schalungselementen, eine mathematische Routine zur automatischen Flächenableitung geschrieben wurde.

Die Qualitätskontrolle auf der Baustelle vor Ort erfolgt teilweise durch 3D-Laserscanning. In Pilotprojekten erfolgt die 3D-Vermessung mit unbemannten Drohnen. In Ausblick stellt Herr Kessoudis diese Möglichkeit als Standard zur Durchführung von Aufmaßen im Verkehrswegebau.

Als Erweiterung des digitalen Prozesses, möchte STRABAG für die Produktion Maschinensensoren nutzen und vernetzen. Eine Pilotanwendung gibt es bereits im Asphaltbau: Maschinendaten, Prozessdaten, Umweltdaten, Lieferscheine und Beladenachweise wurden digitalisiert, um eine zentrale Datenhaltung und Vernetzung zu gewährleisten. Ein Soll-Ist-Vergleich ist über digitale Medien direkt möglich. Ziel ist die Selbststeuerung und Erstellung dynamischer Taktkarten und die Entwicklung einer allgemeingültigen Prozesskette für alle maschinen- und sensorgebundenen Prozesse. Dazu gehört u.a. die Einbeziehung von LKW-Planungs- und Ladestatus, Materialdurchsatz durch Temperaturangabe und Verdichtungsnachweise in Form von Heatmaps.

Herr Kessoudis gibt zudem Einblicke in die Datenübergabe für die digitale Bewirtschaftung anhand eines Projektbeispiels für die Siemens AG: Die Hälfte der 14 BIM-Anwendungsfälle hat einen Facility-Management-Hintergrund. Beauftragte Subunternehmer pflegen ihre Daten (z.B. Seriennummern) direkt in das System durch die Bereitstellung der Modelldaten auf einer Plattform ein. Der Schritt der Digitalisierung abgegebener Listen entfällt.

Einhergehend mit der Einführung neuer Technologien und den massiven Veränderungen der Prozesse und Werkzeuge, sind die finanziellen Investitionen, die Anpassung und Abstimmung der Ausbildungen sowie die Entwicklung neuer Berufsbilder. Voraussetzung hierfür ist, dass der neue Standard Anwendung finden muss.

Zusammenfassend erläutert Konstantinos Kessoudis, dass BIM die Grundlage der Digitalisierung im Bauwesen ist. Hierfür benötigt es Normen und Vertragsbedingungen, welche die digitale Arbeitsweise und den Produktgedanken „Bauwerk“ unterstützen. Zudem sollte im Vordergrund der kollaborativen Zusammenarbeit die Kommunikation stehen: Anforderungen müssen frühzeitig beschrieben, deren Umsetzung gemeinsam geplant und durchgeführt werden. Große Relevanz hat dabei das zentrale Thema des Datenaustauschs: Die Kompatibilität der verschiedenen Softwarekomponenten muss gewährleistet sein.

Q & A

Q: Wie sieht die Anbindung in den BIM Prozess von externen Zulieferern aus? Gibt es auch hier einen Züblin-Standard?

A: Nein, noch nicht. Zulieferer wären hier die Lieferanten der Bauteile. Abgestimmte Aktionen gibt es noch nicht, allerdings gab es im Projekt Hafencity eine direkte Kooperation mit einem Produzenten von Trockenbauwänden. Wir versuchen die Hersteller von einzelnen Bauelementen davon zu überzeugen, gemeinsam an einer Produktklasse zu arbeiten. Nicht jeder kann seine eigene Tür in der Angebotsphase digitalisieren. In dieser Phase ist auch noch unbekannt, welches Produkt verbaut wird. Man plant erst „Türen“, nicht „die Tür“. Der Wechsel von dem allgemeinen Produkt zum spezifischen Produkt erfolgt erst in der Bauphase. Daraufhin folgt die Frage, was ich dem Bauherrn für den Betrieb übergebe. Züblin arbeitet derzeit mit buildingSMART zusammen, um in diesem Bereich Anstöße zu liefern.

Q: Ist ihre BIM Ausbildung buildingSmart konform?

A: Die Ausbildung ist noch nicht genormt. Sie schließt buildingSMART ein, ist es aber nicht buildingSMART konform.

Q: Wie sieht es im Bereich Normung aus? Insbesondere für weitere Teile des Lebenszyklus nach dem Bau.

A: Wenn es einen Standard geben würde, der im Facility Management angewendet werden könnte, wäre es ein leichtes ihn zu erfüllen, da man weiß, wo man hinmuss. Derzeit steht in den Ausschreibungen „Wir wollen alle Daten für den Betrieb.“. Aber auf genaues Nachfragen, welche Daten wirklich gemeint sind und in welcher Form, da fangen die meisten an zu rätseln.

Q: Wie sehen Sie die Entwicklungen beim Gesetzgeber bzw. den Ämtern, BIM in ihren Bauvorhaben und Arbeitsprozessen einzuführen/ umzusetzen?

A: BIM hat nichts mit groß, oder reich zu tun, sondern mit smart! Solange man wissbegierig ist, kann man Dinge leicht umsetzen. In Deutschland ist eine Hürde die Länderstruktur. Ein Beispiel ist der Bauantrag, welcher in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich aussieht.

Q: Wie beurteilen Sie den Aufwand bei der Bestandserfassung mittels 3D-Scan: Aufwand vor Ort und Umsetzung in verwertbare Pläne mit ausreichenden Bauteilinformationen?

A: Die Frage ist, was Sie erreichen wollen? Wenn Sie einfach das Aufmaß machen möchten, kann alles nachgemessen werden. Was allerdings nicht geht, ist in Gebäude hineinschauen. Jedes Mal, wenn ein Stück abgerissen wird, muss erneut gescannt werden. Es kommt auf den Anspruch und das Ziel an. Aus dem Scan ein Modell abzuleiten, ist bei einem Gebäude aus dem 19 Jh. nicht so einfach.

Q: Die fertigen Gewerke werden überprüft und dokumentiert. Wie wird dann aus den As-Built-Daten wieder ein Modell bei Ihnen? Wie werden die Überprüfungen dokumentiert?

A: Auf der Baustelle vor Ort wird beispielsweise vom Einbau (TGA) ein Foto gemacht. Es folgt gleich darauf die Entscheidung, ob ich die letzte Planung so lasse und nur das Foto anfüge. In den meisten Fällen reicht das aus. Manchmal will man auch gar nicht mehr wissen, da das Ergebnis hinsichtlich der Genauigkeit nur verwirrt.

Q: Eigene Software schreiben und Standards anpassen – wie viel Umfang nimmt das an? Wie ist das Ziel der Software, Stichwort autonome Softwareentwicklung? Was ist wünschenswert?

A: Software lohnt sich für einen Konzern wie uns nicht. Wir versuchen das möglichst minimal zu halten. Es ist nicht unser Ziel Software zu entwickeln.

Q: Wie weit hat sich die Kommunikation unter mehreren Projektbeteiligten verändert?

A: Es kommt sehr schnell ein starker Teamgeist auf. Durch Corona geht das schneller. Es führt auch dazu, dass Mixed Teams mehr Kompetenzen erhalten, bevor jeder den Chef hinzuziehen muss. Entscheidungsprozesse werden umstrukturiert - alles rutscht „tiefer“, Verantwortlichkeiten werden verlagert.