10. BIM Bier+Brezeln digital | 08. Dezember 2020
Wie ein BIM-Projekt bei der Deutschen Bahn aussieht und sich von der Beschaffung der Grundlagendaten über die Informationsanreicherung der Modellobjekte zum 5D-Projekt entwickelt, zeigten Jessica Esper und Matthias Burg von der DB E.C.O. Group in einem weiteren Vortrag der Veranstaltungsreihe BIM Bier+Brezeln digital.
Zunächst gilt es, eine Datengrundlage zu schaffen, sei es zur Abgabe eines Angebots, oder um mit der Vorplanung zu beginnen. Abgestimmt auf das jeweilige Projekt und entsprechend aufbereitet, bildet die Datengrundlage die Projektbasis auf der aufgebaut wird. Neben frei zugänglichen, kostenlosen Daten wie beispielsweise von Open Street Map, WMS Dienste oder Fernerkundungsdaten wie z.B. SRTM- oder Copernikus-Daten, stellt die DB Netz AG interne Infrastrukturdaten zur Verfügung, wie beispielsweise die Daten aller Gleise in Deutschland inkl. Lage und Höhe. Eine wichtige Rolle bei der Datengrundlage spielen ebenfalls die Landesämter für Geoinformation, welche ein breites Angebot an Kataster- und anderweitigen Geodaten liefern, wie z.B. digitale Geländemodelle, Orthofotos, Katasterauszüge oder digitale Stadtmodelle. Gerade für Visualisierungszwecke bieten diese Daten viele Möglichkeiten: In wenigen Arbeitsschritten kann ein 3D-Modell erstellt werden, um einen Eindruck der Lage vor Ort zu generieren, virtuelle Ortsbegehung mit allen Beteiligten und Machbarkeitsstudien durchzuführen sowie Angebote perfekt zuschneiden zu können.
Sollten darüber hinaus weiterhin Daten benötigt werden, erfolgt die projektspezifische Beauftragung externer Unternehmen, beispielsweise für terrestrische Vermessungsarbeiten, oder Befliegungen zur Datenerfassung aus der Luft. Herr Burg betont dabei die Wichtigkeit der Genauigkeiten des digitalen Oberflächenmodells und des digitalen Geländemodells. Die Anforderungen an die Genauigkeiten dieser Modelle sollten zu Beginn des BIM Projektes klar formuliert werden, da der Aufwand nachträglicher Änderungen nicht messbar ist. Die DB Netz AG hat erkannt, wie wichtig Grundlagenmodelle für den gesamten Planungsprozess sind. Investitionen für Grundlagenmodelle mit Bestandsvermessung sind in ihrer Position gefestigt und stehen nicht mehr zu Diskussion.
Auf die Datenaufbereitung folgt der Schritt der Datenbereitstellung. Die Übergabe an den Endkunden erfolgt per IFC-Datei. Dieses Format spielt bei der DB E.C.O. eine zentrale Rolle, da mit einer Vielzahl an unterschiedlicher Software gearbeitet wird, was nur über die Nutzung neutraler Datenformate realisiert werden kann. Das Endprodukt der einzelnen Gewerke ist immer ein IFC-Upload.
Zur Förderung der Kommunikation und des kollaborativen Arbeitens wird gleich zu Beginn des Projekts eine CDE eingerichtet, die auf den jeweiligen Auftraggeber unterschiedlich abgestimmt ist und eine einheitliche Kommunikation festlegt. Die DB E.C.O. besetzt die Position des Digitalisierungsmanagers, der die Daten aufbereitet und den Upload durchführt.
Ein zentrales Problem, welches Herr Burg anspricht, ist die Problematik der unterschiedlichen Koordinatenbezugssysteme. Seitens des konstruktiven Ingenieurbaus wird beispielsweise in Revit ohne Maßstab modelliert. Ebenfalls wird hier die Reduktion vernachlässigt. Die DB E.C.O. hat hierfür eine Vorgehensweise gefunden, die es ermöglicht großachsige Projekte spannungsfrei zusammenzuführen: Hierzu erhält jedes Bauwerk ein eigenes, örtliches Koordinatensystem. Die dazugehörigen Transformationsparameter müssen für jedes Objekt gespeichert und können anschließend in ein System transformiert werden. Somit wird auch die Visualisierung mit allen Gebäuden ermöglicht.
Frau Esper stellt die Informationstiefe der Fachmodelle am Beispiel des konstruktiven Ingenieurbaus vor: Jedes Bauteil wird mit Attributen angereichert, die später teilautomatisierte Prozesse wie z.B. die Ableitung von Leistungsverzeichnissen, Zeitlinien und Kostenübersichten ermöglichen. Durch die kontinuierliche Mitführung von Informationen, kann Revit automatisch Bauteillisten ableiten oder Bauablaufpläne durch die Bauteilzuweisung von Bauphasen erzeugen. Frau Esper weist auf die reversible Informationssteuerung hin: Ändert sich die Info eines Bauteils, verändert sich ebenfalls automatisch der Bauplan.
Zur Kollisionsprüfung stellt Frau Esper die Vorgehensweise der DB E.C.O. mit Navisworks in speziellen Planungsbesprechungen vor: Hier werden die einzelnen Fachmodelle der Gewerke mittels Navisworks hinsichtlich auftretender Konflikte gegeneinander geprüft. Die DB E.C.O. hat hierzu eine interne Kollisionsmatrix entwickelt, welche in Navisworks hinterlegt ist. Sie gibt an, wie sinnvoll es ist Bauteile gegeneinander zu prüfen. Wenn eine Kollision erkannt wurde, kann in BIMcollab aus dem Modell ein Arbeitsauftrag als Issue erstellt werden. Mittels eines entsprechenden Plug-ins kann dieser direkt exportiert und dem Bearbeiter zugewiesen werden. Es folgt die erneute Bearbeitung, Schließung und Archivierung oder aber Rückgabe, was zu einer erneuten Bearbeitung führt.
Frau Esper demonstriert die Terminplanung: Über Navisworks lassen sich Modelle und Terminpläne verknüpfen. Nachdem die einzelnen Aktivitäten in den Bauteilen mitgeführt werden, lassen sich automatisiert Terminpläne ableiten. Zudem kann mit Navisworks auf dieser Grundlage eine modellbasierte Bauablaufsimulation erstellt und visualisiert werden.
Die 5D-Methode basiert ebenfalls auf der Informationsanreicherung der Objekte sowie einer Vorplanung. Bei der DB E.C.O. existiert für jedes Gewerk ein Stammprojekt. Dieses Stammprojekt wird einmal in jedem Gewerk angelegt. Jeder Leistung sind die entsprechenden Bauteile zugeordnet. Durch die in den Leistungspositionen hinterlegten Mengen, lässt sich das Leistungsverzeichnis ergänzen.
Q & A
Q: Das Schienennetz in Deutschland umfasst 38.000km, wie übergeben Sie die Daten an die Nächsten? Wie wird das Schienennetz koordiniert?
A: Die Gleisnetzdaten werden in DB GIS, einem Geoinformationssystem der DB Netz AG verwaltet und intern als Microsoft DataBase übergeben.
Q: Bei einem IFC-Export aus Revit entsteht vereinzelt ein gewisser Informationsverlust. Wie gehen Sie damit um?
A: Der Informationsverlust ist nicht hinderlich und in einem gewissen Rahmen verkraftbar. Aber es kommt darauf an, wie mit der IFC umgegangen wird. Es ist klar festgelegt, was eine IFC kann und was nicht. Dazu muss geprüft werden, welche Informationen IFC in meinem Projekt nicht abdeckt und mit Proxys gearbeitet werden muss. Diese Proxys müssen vorher in der Folgesoftware deklariert werden.
Q: Stichwort Langzeitmonitoring - Wartung, Instandhaltung, productive maintenance – wie wird das mit den BIM-Modellen kombiniert? Was geschieht mit den BIM Modellen, wenn der Bau abgeschlossen ist? Können die verschiedenen Level der BIM Modelle anschließend für die Wartung und Instandhaltung genutzt werden?
A: Die Deutsche Bahn hat bisher keine BIM Projekte in dem Sinn abgeschlossen, dass die Modelle im Betrieb verwendet werden. Allerdings werden beispielsweise bei Infraview, einer Tochtergesellschaft der DB Engineering & Consulting ca. 30.000 Weichen inklusive Elektronik und Weichenheizung mit Sensorik aus eigenem Hause überwacht und Probleme dem Betreiber der DB Netz AG gemeldet. Hier sind Karten und Modelle hinterlegt, was in die Richtung productive maintenance geht.
Im Bereich des Geomonitorings - Stichwort Brückenüberwachung - wird bereits bei der Planung des Geomonitoringsystems das Modell erstellt, welches auf der Website, wo das Geomonitoringsystem für den Betreiber visualisiert wird, hinterlegt ist. Das Modell zeigt direkt an, wo sich etwas bewegt, ob im kritischen Bereich oder nicht usw. Hier wird BIM sozusagen anwendungsspezifisch zugeschnitten. Ein guter Vorläufer ist das Facility Management, gerade im CAFM-Bereich, wo die Anwendung der Modelle teilweise bereits gelebt wird: Im Fall einer defekten Glühbirne versorgt das System das Gebäudemanagement umgehend mit allen notwendigen Informationen, um den Defekt zu beheben. Das ist das Ziel. Aktuell wird überwiegend nur die Planung und Bauausführung mit BIM behandelt, der Betrieb fehlt noch. Mit Hinblick auf den vier Jahre zurückliegenden Einstieg der Deutschen Bahn in die Nutzung der BIM Methode, lässt sich für den modellbasierten Betrieb optimistisch in die Zukunft sehen unter Berücksichtigung kollaborativer, nachhaltiger und bidirektionaler Aspekte.
Q: Wie landet BIM auf der Baustelle? Wie sieht es z.B. mit der Absteckung aus? Ist die IFC hier bereits Realität?
A: Die meisten Vermessungsbüros und Vermessungssoftware geben das noch nicht her. Zudem müssen die Ausführungsunterlagen als 2D-Planableitung vom Eisenbahnbundesamt geprüft und freigegen werden.