Wie brandaktuell Forschung sein kann, das wird in diesem Jahr am Thema der Dissertation von Fabian Netzel deutlich. Der Titel „Entwicklung eines instationären Bemessungsansatzes für Regenhöhen zur Anwendung in der wasserwirtschaftlichen Bemessungspraxis“ mag nicht sofort auf Zusammenhänge mit den Überflutungen Mitte Juli in Westdeutschland schließen lassen. Der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrgebiet Wasserbau und Hydromechanik der Hochschule Bochum tätige Ingenieur hat seine Promotion Ende Juni verteidigt, nur zwei Wochen vor dieser Katastrophe mit vielen Todesopfern, bei der Orte etwa bei Wuppertal, im Ahrtal und in der Eifel von den anfallenden Wassermassen regelrecht verwüstet wurden.
Es ging Fabian Netzel bei seiner Arbeit darum ein Bemessungskonzept zu entwickeln, welches klimatisch oder durch Menschen bewirkte Änderungen im Niederschlagsverhalten nachhaltig und auch in der Zukunft berücksichtigt. Dazu hat er Daten zu Starkregenereignissen in Nordrhein-Westfalen zusammengetragen und analysiert. Zu weiten Teilen konnte er auf Ergebnisse eines Forschungsvorhabens zurückgreifen, welches zwischen 2018 und 2020 am Lehrgebiet Wasserbau und Hydromechanik der Hochschule durchgeführt wurde.
So hat er festgestellt, dass insbesondere Starkregenereignisse kurzer Dauer zugenommen haben. Und er konnte ein Konzept entwickeln, wie die Veränderungen bei der Bemessung wasserwirtschaftlicher Anlagen berücksichtigt werden können. „Aus diesen Veränderungen müssen wir auch in unserem Land Konsequenzen ziehen“, resümiert Fabian Netzel. Schließlich gebe es in Nordrhein-Westfalen noch keinen „Klimaänderungsfaktor“ für die Dimensionierung von beispielsweise Hochwasserschutzanlagen wie etwa in Baden-Württemberg oder Bayern.
Die Promotion wurde als kooperatives Verfahren zwischen dem Lehrgebiet Wasserbau und Hydromechanik (Prof. Dr. Christoph Mudersbach) der BO und der Abteilung Hydrologie, Wasserwirtschaft und Gewässerschutz (Prof. Dr. Günter Meon) am Leichtweiß-Institut für Wasserbau (LWI) der Technischen Universität Braunschweig durchgeführt. Prof. Meon, der auch Erstberichterstatter des Promotionsverfahrens war, gilt als international ausgewiesener Experte im Bereich Wasserwirtschaft.
Als ein „Gewächs der Hochschule Bochum“ beschreibt sich der 33-jährige Dr. Netzel selbst mit einem kleinen Schmunzeln. 2008 hatte er ein Duales Studium mit einer Ausbildung zum Beton- und Stahlbetonbauer begonnen und war bereits während dieses Bachelorstudiums als Studentische Hilfskraft im Wasserbaulabor, damals bei Prof. Dr. Bernhard Haber und seinem Wissenschaftlichen Mitarbeiter Peter Bilinski tätig. 2014 schloss er erfolgreich sein Bauingenieur-Masterstudium im Studienprofil Infrastrukturmanagement ab. Im Kolloquium, erinnert sich Fabian Netzel, war auch bereits sein heutiger „Chef“ Prof. Mudersbach unter den Prüfern.