Tragen TV-Moderatorinnen tatsächlich meistens Stöckelschuhe? Sind etwa Kinder die wichtigste Bremse auf dem Weg von Wissenschaftlerinnen zur HAW-Professur? Gleichstellungsfragen bewegen Marketingprofessorin Susanne Stark seit vielen Jahren.
Frau Dr. Stark, Sie haben gerade zwei spannende Aufsätze in der Jubiläumsausgabe des Journals des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW veröffentlicht.
Prof. Stark: Das sind zwei Forschungsprojekte, die ich parallel bearbeitet habe. Bei beiden Forschungsprojekten sind Arbeitspapiere entstanden, die auf der Website eingestellt sind. Zusätzlich bin ich an das Journal des Netzwerks für Frauenforschung mit dem Angebot von Artikeln über die Projekte herangetreten und auf positive Resonanz gestoßen, habe also die berühmten offenen Türen eingerannt.
Und die nachfolgenden Veröffentlichungen zeigen, dass andere sie auch interessant und wichtig finden.
Prof. Stark: Ja, zu dem Projektthema, bei dem es um Professorinnen-Nachwuchs geht, habe ich dann etwas in der DUZ, dem Magazin für Wissenschaft und Management veröffentlichen können. Und zu dem Beitrag über TV-Moderatorinnen mit hohen Schuhen ist zusätzlich in der Zeitschrift „Mediendiskurs“ ein Interview mit mir erschienen. Es gab also eine sehr gute Resonanz.
Wie sind Sie auf das Thema „Moderatorinnen und Stöckelschuhe“ gekommen?
Prof. Stark: Es hat recht zufällig begonnen: Im Oktober letzten Jahres waren Bundestagswahlen. In dieser Zeit habe ich häufig Fernsehen geschaut: Politsendungen, Magazine, Nachrichten, Talkshows. Und irgendwann ist mir aufgefallen: Alle Frauen tragen da hohe Schuhe. Und ich habe gedacht: „Mein Gott, überall Stöckelschuhe!
Ich habe mich gefragt: „Stimmt meine subjektive Wahrnehmung wirklich?“ und überlegt: Woher kommt das!? Ist das die freiwillige Entscheidung der Moderatorinnen, ist das jeweils die Vorgabe der Sender und meinen diese, dass die Zuschauer das unbedingt haben wollen? Woran liegt das?
Aus welchen Personen bestand Ihr Team/wer hat mitgewirkt?
Prof. Stark: Ich bin an Studierende herangetreten, ob sie Interesse hätten, an so einem Projekt als studentische bzw. wissenschaftliche Hilfskraft mitzuarbeiten. Und ich habe sehr schnell drei sehr engagierte Master- und drei engagierte Bachelor-Studierende gefunden.
In der Projektkonzeption sind wir sehr umfangreich vorgegangen. Wir haben zunächst generelle Recherchen zum Thema gemacht. So gibt es bereits seit Jahren eine internationale kritische Debatte über Frauen und hohe Schuhe.
Wo hat sie stattgefunden?
Prof. Stark: Es ist zum Beispiel in Japan so, dass 60% der Unternehmen den Mitarbeiterinnen vorschreiben, Schuhe mit mindestens 5 cm Absatz zu tragen. Das ist ein regelrechter Dresscode, der da vorgegeben wird. Und ohne den können sich Frauen in den Unternehmen auch nicht durchsetzen, werden sie nicht anerkannt. Es gab 2019 eine große Hashtag-Kampagne, wo Frauen sich im Netz dagegen gewehrt haben. Schließlich hat sich der japanische Arbeitsminister dazu geäußert mit etwa diesen Worten „Es gehört nun mal zum Frauenbild dazu, dass Frauen hohe Schuhe tragen und Schluss!“
Oder bei den Filmfestspielen von Cannes gab es 2016 und zwei Jahre später einen riesigen Éclat: Da sind Frauen, die Eintrittskarten hatten, also Zuschauerinnen, nicht zu den Premierenfeiern zugelassen worden, weil sie flache Schuhe trugen. Daraufhin sind diverse Stars, Julia Roberts und andere, auf dem Roten Teppich demonstrativ barfuß erschienen.
Wir haben auch herausgefunden, dass der Absatzschuh in der Vergangenheit eigentlich für Männer konzipiert war; das war ursprünglich gar kein Frauenschuh…
Und nach diesen Vorrecherchen, wie sind Sie vorgegangen?
Prof. Stark: Sodann haben wir 18 Moderatorinnen interviewt. Außerdem haben wir eine Online-Befragung mit Zuschauer*innen gemacht, die uns über 500 gefüllte Fragebögen eingebracht hat, eine wirklich gute Resonanz …
Zu den Ergebnissen: Meine subjektive Wahrnehmung vom Anfang war korrekt. Wir haben herausgefunden, dass in 80% der Fälle die Moderatorinnen hohe Schuhe tragen. Die Studierenden haben sich dafür insgesamt über 74 Sendungen angeguckt und 300 Screenshots von den Schuhen gemacht.
Die Moderatorinnen sagten uns, dass es keinen expliziten Dresscode gibt. Sprich: es ist nicht das Diktat des Senders. Es ist aber schon implizit, dass man „einen gewissen Auftritt“ haben möchte. Interessant war auch, dass die Moderatorinnen sagten, dass das Aussehen, das Outfit, einen zentralen Stellenwert hat. Eine Moderatorin sagte zum Beispiel etwas frustriert, dass sie zum Teil aus dem Zuschauerraum mehr Reaktionen über ihr Outfit bekommt als über die Inhalte ihrer Sendung. Und ganz besonders, wenn etwas an dem Outfit nicht stimmte, etwa eine Kette schiefhing oder so. Aber die Moderatorinnen sagten klar, hohe Schuhe seien mehr eine implizite Forderung, kein explizites Diktat.
Bei der Zuschauerbefragung kam klar heraus, dass das Publikum durchaus mehr Vielfalt wünscht und es absolut in Ordnung fände, wenn auch die Moderatorinnen in flachen Schuhen wie Ballerinas oder bei Sportsendern mit Sneakers auftreten.
Ein Frauenthema, das auch Männer betrifft – was sagen die männlichen Kollegen z.B. im eigenen Fachbereich dazu?
Prof. Stark: Ich merke schon, dass bei diesem Projektthema zunächst ein Schmunzeln oder ein Statement wie „Es gibt wichtigere Themen“ kommt. Trotzdem ist da auch Akzeptanz. Wichtig ist, es im Kontext zu sehen: Ich agiere nicht gegen irgendwelche Schuhmode. Vielmehr geht es darum, dass sich jede(r) so kleiden kann, wie er oder sie gern möchte. Zentral geht es um die Frage: „Ist das ein Diktat – explizit über Dresscodes oder implizit über Erwartungshaltungen?“ Und wenn es das ist, dann ist es negativ zu werten im Sinne der Gleichstellung, Selbstentfaltung und Selbstbestimmung. In diesem Kontext wird die Bedeutung des Themas klar.
Wie geht es weiter?
Prof. Stark: Das Thema ist ein weites Feld, wo man durchaus noch Anschlussprojekte machen könnte. Aber zurzeit ist dieses Projekt erstmal abgeschlossen.
Eine Frage, die Sie schon länger beschäftigt, ist, warum so wenig Akademikerinnen Professorin an einer Fachhochschule werden. Nun berichten Sie und Ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin Elena Niehuis in dem zweiten Aufsatz über das Forschungsprojekt „Professor*innen: Kinder-los qualifiziert – mit Kindern abgehängt?“.
Prof. Stark: Ja, das ist nicht mein erstes Projekt, das sich mit dem Thema „Nachwuchsmangel von Professorinnen“ beschäftigt. Da ist einmal die Tatsache: wir bleiben hier weiterhin bei dieser Quote von 25% Professorinnen hängen, trotz Gleichstellungsgesetz. Und wenn ich ins europäische Ausland nach Osteuropa sehe, dort liegt der Professorinnen-Anteil je nach Land bei 40 bis 50%. Ich denke, die deutschen Frauen sind ja nicht weniger motiviert als ihre osteuropäischen Schwestern. Dafür muss es einen Grund geben.
Ich versuche Studienansätze zu finden, die so noch nicht bearbeitet worden sind. Da fiel mir das Stichwort „Qualifizierungsphase“ ins Auge. Die Qualifizierungsphase für eine FH-Professur fällt typischerweise in den Zeitraum, in dem man auch Familien gründet. Da liegt die Frage auf der Hand: Erleben Frauen und Männer mit oder ohne Kinder diese Phase anders?
Das Schöne war: Frau Niehuis als meine wissenschaftliche Mitarbeiterin hat federführend an diesem Projekt mitgewirkt und war doppelt betroffen, weil sie einerseits eine hervorragende fachliche Qualifikation hat, so ein Projekt zu bearbeiten und sie andererseits selbst in dieser Zeit promoviert hat – und zwei Kinder bekam. Das heißt, sie ist auch privat, persönlich hautnah betroffen gewesen.
Zum Vergleich der Interviews von Professorinnen und Professoren über den „Karriereweg FH-Professur“: Zu welchen Schlussfolgerungen sind Sie gekommen?
Prof. Stark: Wir sind zu sehr interessanten Ergebnissen gekommen. Frauen und Männer erleben diese Qualifizierungsphase in Abhängigkeit von der Familienarbeit ganz unterschiedlich. Besonders deutlich wird das an den Antworten auf die Frage, was es für besondere Mentor*innen gewesen sind, von denen man Unterstützung erfahren hat. Was war das Unterstützende, was hat geholfen, wer oder was hat den Weg irgendwie vereinfacht? Die Männer, die wir interviewt haben, haben immer gleich Kolleg*innen und Chefs aufgezählt, also berufsbezogene Mentor*innen oder besondere Projekte benannt. Währenddessen haben Frauen sofort private Netzwerke, also z.B. „meine Freundinnen, meine Mutter“ genannt, mit denen man sich die Familienarbeit in irgendeiner Form geteilt hat.
Das heißt: schon die Frage wurde von Frauen und Männern jeweils ganz anders aufgefasst. Das fand ich sehr bezeichnend!
Wie ist der Stand der Dinge an unserer Hochschule? Welche Frauenquote haben wir?
Prof. Stark: Die Professorinnen-Quote an der Hochschule Bochum bleibt über alle Bereiche betrachtet nach wie vor bei 17 %.