Robotik im Handwerk? In Berufen, in denen praktisches Geschick, Fingerfertigkeit und sehr konkrete Erfahrung oft entscheidende Schlüsselqualifikationen sind? „Ja doch!“ waren sich die Architekten Prof. Sven Pfeiffer und Prof. Erhard An-He Kinzelbach gemeinsam mit Robotik-Professor Dr. Daniel Schilberg vom Fachbereich Mechatronik und Maschinenbau einig. Und so entwickelten sie fachbereichsübergreifend die Vision einer Fertigungszelle für das Bauhandwerk, in der Mensch und Maschine auf eine neue Art zusammenwirken sollen. Diese soll „CoBotCraftLab – Labor für Mensch-Roboter-Kollaboration und digitales Handwerk“ heißen.
Sie dachten dabei etwa an alte Techniken wie schraubenloses Zusammenfügen, aber auch an automatisiertes Anwenden von Werkzeugen wie zum Beispiel Bohrern und Fräsen zur Fertigung von komplexen Bauteilen. Und mit dieser Idee tauchten auch zahlreiche Forschungsfragen auf dem Weg zu Lösungen für solche Aufgaben auf:
- Inwiefern sind robotische Prozesse in der Lage, herkömmliche handwerkliche Prozesse abzubilden, traditionelle Techniken zu reanimieren und diese auf Bauprozesse zu übertragen und zu skalieren?
- Lassen sich gemeinsame Arbeitsräume (raumgleich und zeitgleich) von Handwerker*innen und Robotern konzipieren, die auf effiziente Art und Weise die Herstellung von Bauprodukten, z. B. Einbauelemente im Wohnungsbau, ermöglichen?
- Wie verändern sich Anforderungen an Arbeitssicherheit und Ergonomie im Rahmen des digitalen Handwerks und des demografischen Wandels?
- Wie lässt sich die existierende Lücke zwischen dem Erfahrungswissen des Menschen und der Präzision und Schnelligkeit der Robotik im Kontext von Bauprozessen schließen?
- Können kollaborative Mensch-Roboter-Interaktionen im Sinne einer kommenden Kreislaufbauwirtschaft über die synthetisierende Funktion hinaus auch zu demontierenden und analytisch sortierenden Prozessen genutzt werden?
Um sie beantworten zu können, haben die Wissenschaftler eine 7 Meter lange und 3 Meter breite Fertigungszelle mit sechs kollaborativen Robotern (Cobots) geplant, die auf Linearachsen beweglich gelagert sind. Sie sollen mit Werkzeugwechselsystemen mit anwendungsspezifischen oder generalistischen Manipulatoren ausgerüstet werden. Das Gesamtsystem verfügt über 42 Freiheitsgrade der Bewegung und soll ein weites Spektrum automatisierbarer Aufgaben aus dem Bereich des Bauwesens ausführen können.
Im Mittelbereich zwischen den die Cobots tragenden Achsen sollen sich die Menschen für ihre Interaktionen mit den Robotern bewegen können.
Für dieses Großgerät, für das Gesamtkosten von etwas mehr als 900.000 Euro veranschlagt werden, haben die Bochumer Forscher bei der Großgeräteaktion für Hochschulen für Angewandte Wissenschaften 2023 der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Finanzierungszusage (Förderkennzeichen INST 234/14-1) erhalten. Herzlichen Glückwunsch!
Wenn die Anlage installiert ist, wird die Hochschule dann einiges zu forschen und zu berichten haben …