Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC oder übersetzt: Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen oder kurz: Weltklimarat) hat gerade seinen Sechsten Bewertungsbericht veröffentlicht.
Regelmäßig stellt er Berichte über den aktuellen Wissensstand bezüglich des Klimawandels bereit, um Regierungen auf allen Ebenen mit Information zu versorgen, die sie zur Entwicklung ihrer Klimapolitik nutzen können. Der IPCC trägt hierzu das aktuelle Wissen aus allen relevanten Bereichen der Forschung zusammen und stellt Ursachen, Folgen sowie Risiken des weltweiten Klimawandels dar. Der IPCC forscht nicht selbst, sondern fasst die Aussagen zehntausender Veröffentlichungen in sogenannten Sachstandsberichten, den IPCC Assessment Reports, und Sonderberichten zusammen und bewertet sie aus wissenschaftlicher Sicht.
Professorin Dr. Petra Schweizer-Ries war in den vergangenen vier Jahren eine der zu Rate gezogenen Forscher*innen. Sie arbeitet und publiziert seit über 30 Jahren zur Akzeptanz Erneuerbarer Energie-Technologien und Energieeffizienz/-suffizienz. In zahlreichen europäischen Projekten arbeitet sie zu Energienachhaltigen Gemeinschaften, Energiearmut und energetischer Gebäude- und Stadtentwicklung. Sie bringt die aktuellsten Erkenntnisse in ihre Lehre ein und beteiligt die Studierenden aus den BA- und MA-Studiengängen Nachhaltige Entwicklung und Angewandte Nachhaltigkeit anhand von Projektstudien an aktuellen Forschungsprojekten. Aufgrund einer Vielzahl auch internationaler wissenschaftlicher Leistungen, wurde sie schließlich 2018 aufgefordert, sich beim IPCC als Lead Author zu bewerben: erfolgreich! Was nun folgte, war das gemeinsam mit zehn international renommierten Kolleginnen und Kollegen und zwei koordinierenden Leitautorinnen inhaltliche Festzurren der Storyline unter dem Titel „Beschleunigung der Transformation im Kontext der Nachhaltigen Entwicklung“.
Die erarbeiteten Inhalte wurden immer wieder auf den Gesamtbericht angepasst. Regelmäßige digitale Treffen mit dem restlichen Autor*innen-Team, Überarbeitungsrunden mit bis zu 600 Kommentaren allein in einem Kapitel und konstruktives Hand-in-Hand-Arbeiten ließen eine Ausarbeitung entstehen, die von nun an Fundament und Leitplanke für weltweites Klimamanagement im Kontext von Nachhaltiger Entwicklung darstellt. Die Aussagen des IPCC haben international großes Gewicht und sind eine wichtige Basis bei den jährlichen Verhandlungen zur Klimarahmenkonvention (UNFCCC).
Professorin Dr. Schweizer-Ries hat zusammen mit ihren Teampartner*innen das 17. Kapitel der dritten Arbeitsgruppe geschrieben: „Um die Klimakrise zu bewältigen und um die 17 Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, braucht es eine zügige und große gesellschaftliche Transformation. In unserem Beitrag habe ich beschrieben, wozu Menschen in der Lage sind, wenn sie sich miteinander verbinden.“
Unter der Bezeichnung „Transformative Forschung“ lehrt sie bei uns an der Hochschule Bochum die Studierenden sich in realen Kontexten einzubringen und gemeinsam eine Veränderung in Richtung Nachhaltigkeit zu gestalten. Es geht dabei um Bewusstseinsbildung, nicht nur bei den Konsumierenden, sondern auch bei den Forschenden und den Entscheidungsträger*innen auf allen gesellschaftlichen Ebenen. „Die Grundannahme dabei ist: Wir erzeugen die Klimakrise gemeinsam, obwohl die meisten von uns das gar nicht wollen. Nun kann der Wandel nur von innen heraus entstehen. Es braucht dringend ein Umdenken und Umlenken und wie das möglichst ist, lehre ich in meinen Fächern und habe ich in unserem Bericht für den IPCC eingebracht.“
Themen wie Partizipation und Governance sind weder auf dem globalen Nachhaltigkeitsspielfeld und natürlich auch aus der Lehre nicht wegzudenken. Der IPCC ist bestes Beispiel für globale Governance. Das Zusammenspiel von Regierungen, NGOs und Wissenschaft wurde hier über Jahrzehnte hin verfeinert und eine Form der integrativen Zusammenarbeit gefunden, in dem Unterschiede zugelassen und jeder Wissensbereich wertgeschätzt wird. Schweizer-Ries: „Dabei geht es neben dem Reden vor allem um das Zuhören lernen und das Wertschätzen und Anerkennen anderer Meinungen, Weltbilder und Wirklichkeitskonstruktionen. Die transdisziplinäre Nachhaltigkeitswissenschaft findet dort bisher noch wenig Beachtung, wird aber eine zunehmende Rolle spielen. Studierende die bei mir lernen, führe ich über den Bachelor zum Master bis hin zur Promotion. Die Welt braucht promovierte Praktiker*innen, die bereits im Studium Veränderungen mitgestaltet haben!“
Zur Verankerung von Nachhaltigkeit in der Lehre hat die Hochschule Bochum 2016 einen Sechs-Stufen-Plan verabschiedet, der seither erfolgreich umgesetzt wird. Die verschiedenen Stufen reichen von der thematischen Integration von Nachhaltigkeit in Lehrveranstaltungen über die Einrichtung der Bachelor- und Masterstudiengänge „Nachhaltige Entwicklung“ bis zur themenfeldbezogenen (kooperativen) Promotion. Hier gibt es zahlreiche Schnittstellen zum 6. IPCC-Report: Jedes Lehrmodul kann an Inhalten vom IPCC anknüpfen, sei es an naturwissenschaftlich-technische oder eher gesellschaftswissenschaftliche. Im fachübergreifenden Studium der Nachhaltigen Entwicklung können IPCC-Themen eingebracht und dadurch ihre Aktualität und Relevanz verdeutlicht werden. Partizipation und Governance, Nachhaltigkeitswissenschaft und Evaluation, Konfliktanalyse und Akzeptanzforschung, Projektstudien und Nachhaltigkeitskommunikation – all dies findet sich beim IPCC ebenso wie bei uns in der Lehre.
Der sechste Bewertungsbericht des IPCC umfasst drei Arbeitsgruppenbeiträge:
- Naturwissenschaftliche Grundlagen des Klimawandels
- Folgen des Klimawandels, Anpassung und Verwundbarkeit
- Minderung des Klimawandels
Inhaltszusammenfassung aus Teil 3, Kapitel 17:
Beschleunigung der Transformation im Kontext der Nachhaltigen Entwicklung
- aus integrativen Perspektiven lernen, auf nachhaltige Entwicklung und Klimawandel antworten
- Wege finden für gemeinsame Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels
- Maßnahmen entwickeln zur Eindämmung des Klimawandels im Rahmen von multizentrischen Politiken auf verschiedenen Ebenen
- Kapazitäten schaffen zur Eindämmung des Klimawandels und für günstige Bedingungen, einschließlich Technologie, Finanzen und Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung
- Verknüpfungen herstellen zwischen Abschwächung und Anpassung, einschließlich potenzieller Synergien und Konflikte
- Regionale Perspektiven einnehmen zur Abschwächung des Klimawandels
- Reaktionen auf den Klimawandel und nachhaltiger Entwicklung im Zusammenhang mit der Agenda für Entwicklung 2030 und darüber hinaus
- Unwägbarkeiten und Wissensbedarf